Über den Wert des Weibes für den socialen Verband…
… hat der Jurist Ludwig Wahrmund (1860-1932) philosophiert, als er an der Universität Innsbruck als „Professor der Rechte“ tätig war. Viele assoziieren mit Wahrmund die sogenannte „Wahrmund-Affäre“, auf die ich in einem zukünftigen Beitrag noch eingehen werde. Heute möchte ich mich allerdings aus der Perspektive der Frauengeschichte mit ihm beschäftigen.
Ludwig Wahrmund ist in der Tiroler Geschichte vor allem für seine politische Einstellung bekannt. Seine bekannteste Druckschrift „Katholische Weltanschauung und freie Wissenschaft“ stieß auf heftigen Gegenwind, da sie den „Deismus des Erlösers angreift“ und eine „Verspottung der katholischen Lehre“ darstellt. (IN, 29.04.1908, S. 7). Sein Denken in den Themenbereichen Ehe- und Schulpolitik soll sogar parlamentarische Auseinandersetzungen zur Folge gehabt haben.
Die Vermutung liegt folglich nahe, dass Wahrmund ein anderes Frauenbild im Kopf hatte als die meisten Herrschaften seiner Zeit. In seinem Buch „Akademische Plaudereien zur Frauenfrage“ (1901) erhält die Leserschaft einen Einblick in seine Gedankenwelt: […] in der That belächelnswert ist das Weib, das da meint, es könne jemals durch menschliche Thätigkeit und Entwicklung die unüberbrückbare Kluft, welche die Natur zwischen die beiden Geschlechter gelegt hat, ausgefüllt werden. […] Den Frauen aber zu einer gesunden, vernünftigen Fortentwicklung innerhalb ihres Geschlechtsrahmens die Hand zu bieten, […] ihnen die Möglichkeit zum Erwerb des leiblichen wie des geistigen Brotes voll zu gewähren, das halte ich allerdings für Pflicht der Gesellschaft, denn ein Recht haben die Frauen ohne Zweifel mit den Männern und allen Lebewesen gemeinsam: das Recht auf Existenz.“
Das Zitat zeigt, dass auch Wahrmund nicht gänzlich vom zeitgenössischen Denken über Frauen verschont geblieben ist, aber dennoch wird deutlich, dass er den Frauen mehr zutraut als ihnen zur damaligen Zeit zusteht. Vor allem im Bereich der Medizin schätzt er die Frauen als sehr kompetent, schließlich seien diese schon seit dem Mittelalter mit der Heilkunde vertraut und er ist der Überzeugung, dass „die Frage nach der medicinischen Befähigung der Frauen wahrscheinlich binnen kurzem nur mehr historisches Interesse haben wird.“ Er appelliert an die Gesellschaft, dass es Frauen braucht, die „es unter ihrer Würde finden, als gesetzlich privilegierte Wärterin eines lebendigen Ernährungs- und Fortpflanzungs-Automaten, Patent Herr der Schöpfung, ihrem natürlichen Berufe zu obliegen.“
Ludwig Wahrmund war in Bezug auf Frauenangelegenheiten aber auch noch anderweitig aktiv. Er war Ausschussmitglied beim Österreichischen Bund für Mutterschutz (1907-1934), der sich für die Hilfeleistung und Verbesserung der rechtlichen Lage der unehelichen Mütter und ihrer Kinder einsetzte. Dieser richtete in Wien sogar ein Mütterheim ein, dass den Frauen in Not einen geschützten Raum für vor und nach der Geburt anbot.
(Verena Kaiser)