Post aus Texas
Am 14. August 1859, beinahe auf den Tage genau einen Monat nachdem die Kämpfe zwischen Frankreich und Sardinien-Piemont auf der einen und Österreich auf der anderen Seite mit dem Präliminarfrieden von Villafranca zu Ende gegangen waren, griff der gebürtige Innsbrucker Ludwig von Schnell (1827-1886) zu Feder und Papier, um seiner Schwester Wilhelmine zu schreiben.
Ludwig hatte in Innsbruck studiert, wandte sich 1848 den Liberalen zu und wanderte schließlich 1854 mit seiner Frau nach Texas aus, „wo er erfolgreich eine Farm bewirtschaftete, sich aber auch als Wanderfotograf betätigte. Geplante amerikanische Kulturromane im Stil Sealsfields hat S[chnell] nicht abgeschlossen. Seine Manuskripte soll er vor seinem Tod verbrannt haben.“ (Quelle: Schnell Ludwig von, Eintrag in: Lexikon LiteraturTirol, Hg.: Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Universität Innsbruck).
Trotz der großen Entfernung nahm Ludwig Schnell fünf Jahre später regen Anteil an der Vorgängen in Oberitalien, zumal sein Schwager – Wilhelmines Mann – Carl Rumplmayer als Hauptmann bei den Tiroler Kaiserjägern diente. Aber lesen Sie selbst:
Liebe Minna!
Brief Ludwig Schnell an Wilhelmine Rumplmayer, Burnet, Texas, 12.8.1859
Nicht ohne innige Theilnahme lese ich in den Spalten jeder neu angekommenen Zeitung das Ergebnis der italienischen Schlachtereien, und hege die stille Hoffnung solch ungeheure Beweiskraft wie der nutzlose Tod so vieler Tausender von Menschen, werde denn doch den blödesten Bürger[n] den Staar [sic] stechen [d.h. aufklären] und ihnen die schlechten Seiten von Regierungsformen klar vor Augen legen, die für unser Jahrhundert nicht mehr passen. Doch genug hierüber; Du fragtest mich vor ohngefähr [sic] 1 1/2 Jahren spöttisch: „was soll denn wohl anders werden? etwa in politischer Beziehung?“ Es liegt nahe, dieses beides [?] werden u. ich fürchte es wird für Viele ein schreckensvolleres sein als der ital. Krieg. – – –
Vor allem interessiert mich Dein Schicksal zu wissen, und das Deines Mannes; ich habe eine Ahnung als wenn er beim Batall. Hauser wäre, welches gefangen nach Algier transportirt worden [ist]; man weiß nicht was man unter den obwaltenden Umständen für das wenigere fatale halten soll, jedenfalls hoffe ich, daß die … [?] Vorsehung Dein wahres Bestes mitbedenken werde, und bitte Dich in allen Fällen standhaft u. gelassen zu bleiben, nach dem Grundsatze, daß nur Thoren über Geschehenes unnöthig klagen. – Liebe Schwester, trockne die Thränen und hoffe von der Zukunft was die Gegenwart Dir versagt, Ruhe, Zufriedenheit u. ein bescheidenes Glück. Vielleicht wirst Du über kurtz [sic] meine amerikanischen Vorschläge von früher nicht mehr so ganz …lich [?] finden. Küße in meinem Namen Emil u. Virginie, grüße Deinen Mann und schreibe umgehend Deinem Dich herzlich küßenden Bruder Ludwig
Karl Rumpelmayer überlebte den Krieg von 1859 und starb als pensionierter Offizier im Frühjahr 1870.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck)
Ein weiterer Bruder war der Orientreisende Josef von Schnell, welcher 1822 in Innsbruck geboren wurde und 1863 als Konsularbeamter in Alexandria gestorben ist. Wilhelmine Rumplmayr starb 1908, in ihrem Nachruf in den Innsbrucker Nachrichten vom 30. Juli 1908 heißt es:
„Die kürzlich in Innsbruck
verstorbene Hauptmanns-Witwe Wilhelmine
Rumplmayr war die Schwester der durch ihre
interessanten Lebensschicksale und ihre Schriften
bekannten Brüder Josef und Ludwig v. Schnell;
der erstere starb 1863 als Konsulatskanzler in
Alexandrien, der letztere als wohlhabender Far-
mer 1886 in Texas. Josef v. Schnell, der mit
Adolf Pichler befreundet war, machte weite
Reisen im Orient, Ludwig v. Schnell schrieb
das jetzt vergessene Drama „Der letzte Mensch“.