Wo ist denn diese Kugel gelandet?
Nach der österreichischen Niederlage von Austerlitz gegen Napoleon 1805 mussten die Habsburger Tirol an das Königreich Bayern abtreten. Es kam zur Abschaffung der alten Landesverfassung, höheren Steuern, dem Verbot vieler Bräuche und Eingriffe ins religiöse Leben. Außerdem zu Reformen, wie unter anderem säkularisierte Bildung und der Pockenschutzimpfung. Zusätzlich wurde die seit Kaiser Maximilian geltende Befreiung von der Dienstpflicht beim Militär beseitigt, zwangsweise Rekrutierungen wurden eingeführt. 1809 kam es dann zum Tiroler Volksaufstand rund um Andreas Hofer. Im Frühjahr wurde Tirol von der bayrisch-französischen Besatzung befreit und bis zum Herbst desselben Jahres verteidigt. In der Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts wurde ebenjener Aufstand später als „Freiheitskampf“ glorifiziert und Hofer zum Märtyrer stilisiert.
Soweit so bekannt.
Nun kommen wir zum Bild und dem heutigen Rätsel. Wir sehen einen Ausschnitt einer Kirche. Ungefähr am oberen Ende des unteren Drittels des Kirchturms steckt eine bayrische Haubitzenkugel. Sie landete dort im Zuge der Kämpfe 1809. Entfernt wurde sie nie, lediglich wurde später „1809“ darunter geschrieben. Jetzt sind Sie gefragt werte Leserinnen und Leser. Um welche Kirche handelt es sich und wo steht sie?
Kleiner Tipp: Es lohnt sich hier über die Grenzen der Stadt Innsbruck hinauszublicken.
Nachtrag: Wie so oft wurde das Rätsel sehr schnell gelöst. Hier noch eine andere Ansicht der Pfarrkirche in Natters:
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Privataufnahmen)
Autor: Jakob Fitzner
Pfarrkirche Natters
Und diese Kugel steckt dort in der Kirche von Natters seit dem Allerheiligentag 1809.
„Noch einmal, am Allerheiligentag, traten Tiroler am Bergisel an. 70 Kompanien, 8535 Mann, standen weit über 20 000 Bayern gegenüber. Den linken Flügel führte Hofers Adjutant, Mathias Delama, das Zentrum führten Aschbacher und Daney, den rechten Flügel führte Speckbacher. Bei der Martinswand standen die Oberinntaler. Aber es kam kaum mehr zu nennenswertem Widerstand. Die bayerische Infanterie überrannte den linken Flügel und stieß auf die Höhen von Natters vor. Zugleich wurden die Bergiselschanzen von der Artillerie zerstört. Der rechte Flügel blieb ohne jegliche Verbindung mit dem Zentrum. Nach zwei Stunden war alles vorüber, die Bauern flohen in die Berge. Entsprechend diesem Gefechtsverlauf gab es kaum Verluste. „
Beim Anblicke dieser Kanonenkugel gedenkt jeder Tyroler mit Thränen der Rührung unserem großen Andreas Hofer und seine tapferen Kampfgefährten, welche im Jahre 1809 den ehrenvollen Kampf für das geliebte Vaterland gefochten haben. Das schicksalsreiche Jahr 1809 möge nachfolgenden Generationen auf ewig ein Beyspiel seyn, die Freyheit des Vaterlandes zu vertheidigen.
Der erste Gedanke war die Kirche von Mutters, welche es jedoch nicht ist: sie hat zwar eine sehr ähnliche Malerei am Kirchturm, jedoch ist die Farbgebung mehr rötlich statt ocker.
In Natters gab es noch zwei Relikte aus dem 9er Jahr. Hoch über Natters, am Gigglberg, waren gleich zwei dieser Kugeln an der Hausmauer des alten Hofgebäudes angebracht, erklärt mit der Inschrift „Bairische Haubitze welche am xi, April 1809 heraufgeschossen wurden“ deren Herkunft.
Der alte Hof wurde durch einen modernen nadwirtschaftlichen Komplex ersetzt. Ich nehme an, die Kriegsrelikte sind noch im Besitz der Familie Mayr.
Ich weiß auch nicht, ob man die (wie ich annehmen) auf dem Boden liegend aufgelesen und an der Hauswand angebracht hat, oder ob das an tatsächliche Einschläge in der Mauer erinnerte. Von der im Natterer Turm steckenden „Haubitze“ nehm ich hingegen auf Grund der exzentrischen Lage ein Andenken an ein Originalereignis an. Anstelle der Jahreszahl ist in der Natterer Dorfchronik von Dr. Leo Blaas auf Seite 353 eine bis auf das Datum mit der am Gigglberg identische Inschrift zu lesen. Das Datum wird mit 12. Mai 1809 angegeben. Dieses Datum muß aber falsch sein. Die erste Schlacht war am 11. und 12. April, die zweite am 29. Mai. Was stimmt jetzt? Der Elfte oder der Mai? Wahrscheinlich hat man nur mehr das als sicher geltende Jahr an der Kirchturmmauer belassen.
In der selben Dorfchronik vermerkt Leo Blaas mit dem ungenauen Zitat „Aus mehreren Verzeichnissen“ einen früheren Bewohner meines Hauses, Bartlmä Leitgeb, als „vor dem Feind geblieben“, und dazu abermals den 11. April 1809 als Datum. Nein, es spukt nicht.
An der Wand beim Cafe Munding in der Altstadt ist auch auch eine Kanonenkugel/Platzgranate von der Erstürmung der Innbrücke 1809
angebracht. Solche Kugeln dürften noch zuhauf rund um den Bergisel in der Erde schlummern.