Der Bau der Arlbergbahn – Ehre wem Ehre gebührt
In unmittelbarer Nähe zum alten Tunnelportal findet sich noch ein Bauwerk, das eng mit der Geschichte der Arlbergbahn verbunden ist. Es handelt sich dabei um einen Steinobelisken, der zu Ehren von Julius Lott (1836-1883) dem Baudirektor der Arlbergbahn errichtet wurde. Im Jahr 1880 wurde er zum Kopf des Projektes, unter seiner Leitung erfolgte die endgültige Ausarbeitung und die nachfolgende Bauausführung der Arlbergbahnstrecke. Lott hatte schon bei diversen anderen Bahnbauunternehmungen seine Fähigkeiten bewiesen, doch die Arlbergbahn war zweifellos sein bis dahin herausfordernstes Unterfangen. Er widmete sich mit all seiner schöpferischen Kraft der schnellstmöglichen Umsetzung, was ihm auch eindrucksvoll gelang. Doch kurz vor der Fertigstellung wurde er von einer schweren Krankheit heimgesucht, weshalb er die Bauleitung der Arlbergbahn an Oberinspektor Johann Poschacher übergeben musste, welcher Lotts Werk erfolgreich zu Ende führte. Im Alter von nur 47 Jahren starb Julius Lott am 24. Mai 1883 in Wien. Um seinem frühen Tod rankten sich lange Zeit einige Legenden. Zum einen hieß es, er habe den Freitod gewählt, weil er befürchtete, dass die von Osten und Westen vorangetriebenen Richtstollen des Arlbergtunnels nicht aufeinandertreffen würden. Eine weitere Geschichte besagte, dass Lott wegen einer Liebesaffäre in St. Anton zum Zeitpunkt des Tunneldurchstichs vor seinen Arbeitern Suizid begangen hätte. Obwohl all diese Geschichten frei erfunden waren, hielten sie sich bis ins 20. Jahrhundert hinein hartnäckig. Die in der Sterbeurkunde des evangelischen Pfarramtes Innere Stadt Wien verzeichnete eigentliche Todesursache ist weit weniger spektakulär als die Geschichten der Boulevardpress. Julius Lott erkrankte an Miliartuberkulose, an der er schlussendlich auch verstarb. Er wurde am Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf, Triester Straße 1, bestattet. Zu seiner Erinnerung errichteten Lotts Freunde am Ostportal des Arlbergtunnels besagtes Denkmal, das anlässlich der Eröffnung der Arlbergbahn am 20. September 1884 durch Kaiser Franz Joseph I. feierlich enthüllt wurde.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Ph-A-24455-27)
„Die Hand des Allmächtigen lastet schwer auf dem Personale
der k. k. Staatseisenbahnbauten!“
So begann Sektionschef von Nördling seine ergreifende Rede beim Begräbnis von Julius Lott. Weiter sagte er über den Verblichenen:
„Kaum sind es vier Monate, dass
wir, wenige Schritte von hier, den Director-Stellvertreter Diterlé
zur ewigen Ruhe bestattet. Vorige Woche kam die Reihe an
Oberingenieur Schnitzel und heute ist es der Director selbst,
der vortreffliche Lott! Fürwahr in des Wortes eigenster Bedeutung
ein unersetzlicher Verlust! In einer kurzen Reihe von Jahren
war es Lott gelungen, das neue Institut, an dessen Spitze ihn
die kaiserliche Gnade gestellt, auf ungehoffte Höhen zu heben.
Lott suchte, aus gewonnener Ueberzeugung, nicht blos auf
höheren Befehl, überall den wirthschaftlichen Standpunct zur
Geltung zu bringen, indem er ruhmredende Bauwerke eher
zu vermeiden, als zu schaffen strebte. Das Staatsinteresse, nicht
das vermeintliche Standesinteresse war sein oberstes Gesetz;
er folgte ihm mit offenem Auge und offenem Ohr für alle Fort-
schritte der Kunst und mit Liebe und Nachsicht für seine
Mitarbeiter, Beamte wie Bauunternehmer, indem er sich von
übertriebenem Festhalten an den abstracten Vertragsbestim-
mungen und von persönlichen Begünstigungen gleich ferne zu
halten wusste. So gelang es Lott, die Fahne der Direction
für Staatseisenbahnbauten so hoch zu pflanzen, dass Jeder
mit Hochachtung hinaufblicken musste und dass die öffent
lichen Gewalten sich bemühten, ihren Umkreis auszudehnen,
nicht einzuschränken. Lott’s grösstes Werk, die Arlbergbahn,
war ihm nicht vergönnt, vollendet zu sehen; aber dasselbe ist
schon so weit vorgeschritten, dass sein Name untrennbar au
dem Werke haften wird. Bei dem Allen entfaltete Lott stets
eine Sanftmuth, eine Milde, wie sie Einem in dem Evangelium
entgegenleuchtet und die— man hätte es glauben sollen—
alle feindseligen Arme hätte entwaffnen müssen. Allein für den
Neid und den Eigennutz bleibt auch die sanfteste Ueber-
legenheit und Rechtlichkeit ein lästiges Hinderniss, welches
beseitigt werden möchte. Und so blieben denn auch dem fried-
fertigen Lott vor der ihm zu Theil gewordenen allerhöchsten
Auszeichnung die stechenden Dorne nicht erspart. So wenigstens
flüstert man; ich selbst kann es nicht wissen, denn seit Jahr
und Tag stehe ich ja ferne und habe ich den Verblichenen
nicht mehr von Angesicht gesehen. Was ich aber dennoch zu
behaupten wage, das ist, dass Lott auch seinen Feinden ver-
geben hat und dass diejenigen gegen seinen Willen handeln
würden, welche hierin seinem Beispiele nicht folgten. Bedenken
wir also diese Schatten mit christlicher Liebe und einigen wir
uns Alle ohne Unterschied in dem warmen, unauslöschlichen
Andenken an den ausgezeichneten Fachgenossen und an den
vortrefflichen Menschen, ein wahrhaft christliches Vorbild!
Amen!“
Ja, da hieß es „Schnell schauen!“, damit man bei der Bahnfahrt das knapp vor dem Tunnel stehende Denkmal nicht übersah!
Jaaa, früher schaute man bei einer Bahnfahrt h i n a u s , aber jetzt – bei dieser fortschreitenden „Tunnelitis“ gibts
ja nimmer viel zu sehen.
Obwohl – auch früher hat es schon Leute gegeben, denen der Blick aus dem Zugfenster „wurscht“ war.
Heimito von Doderer hat dafür den Begriff „Apperzeptionsverweigerer“ verwendet….