Ein bisschen Familiengeschichte
Bei der Durchsicht und Ordnung einer Sammlung ist mir neulich das Foto eines älteren Mannes untergekommen, der mir irgendwie bekannt vorkam. Rasch kamen weitere Bilder des Mannes dazu, die aber allesamt nicht beschriftet waren. Die Person blieben somit vorerst ein Rätsel. Wer auf dem Bild abgebildet war, musste, wie es bei vielen Familienfotos, die wir im Stadtarchiv aufbewahren, mit einem Fragezeichen versehen werden.
Erst als ich dann noch einige dazugehörige Briefe etwas näher untersucht habe, konnte ich den gesamten Bestand einem Karl Franz Peer und dessen Familie zuordnen, der mir allerdings zunächst nichts sagte. Mit diesem Hinweis und dem Internet war dann aber das Rätsel, wer der ältere Mann war, der auf den Familienfotos immer wieder auftauchte und der mir so bekannt vorkam, rasch zu lösen: es war der bekannte deutsche Mediziner und Physiologe Max Rubner (1854-1932). Rubner hatte um die Jahrhundertwende 1900 bis Mitte der 1920er Jahre intensiv zum Energiegehalt von Lebensmitteln geforscht und sich allgemein mit Ernährungsfragen auseinandergesetzt. Mir war Rubner ein Begriff, weil er während und nach dem Ersten Weltkrieg zu Fragen von Unterernährung und Ernährungsfragen im Allgemeinen öffentlich aufgetreten war.
Aber wie kamen die Bilder von ihm in den Nachlass von Karl Franz Peer und dann ins Stadtarchiv? Die Sache war letztlich banal: die Tochter von Max Rubner und seiner Frau Helene, Elisabeth, hatte Karl Franz Peer 1926 in Berlin geheiratet. Das Ehepaar Peer wohnte dann in Mühlau und Max Rubner war offenbar häufiger dort und in den Bergen rund um Innsbruck zu Besuch.
Karl Peer (geb. 1872), um auf die eigentliche Sammlung zurückzukommen, hatte im Übrigen zunächst die Volkschule in Sterzing und Hall besucht, dann das Gymnasium ebendort und schließlich in Brixen (Vinzentinum) maturiert. Nach dem Jusstudium an der Universität Innsbruck, und der Absolvierung der Staatsprüfung trat er in die öffentliche Verwaltung ein: es folgten Posten in der Statthalterei, als Bezirkshauptmann in Reutte, schließlich war er Direktor der Invalidenentschädigungskommission für Tirol.
(Alle Bilder: Stadtarchiv/Stadtmuseum 06.84 Nachlass Peer)
Max Rubner hatte in Pinswang ein Haus, wo er häufig die Sommerfrische verbrachte.
In seinem Nachruf in den Innsbrucker Nachrichten von 1932 heißt es über seine Verbundenheit zu Tirol:
„Mit Geheimrat Max Rubner ist am 27. April d. J. in
Berlin eine Leuchte der medizinischen Wissenschaft und ein
Mann von Weltbedeutung nach einem arbeitsreichen, nur der
Forschung und Wissenschaft gewidmeten Leben verschieden.
Rubner, der seine ganze Jugend in seiner Vaterstadt
München verlebte, hat schon sehr früh eine große Liebe
zum Nachbarland Tirol gefaßt, welches ihm zur zweiten
Heimat wurde. Bereits als junger Student bestieg er in den
Sechzigerjahren den Patscherkofel; als Hochschullehrer ver-
brachte er und zum Teil auch seine Familie die Ferien in
Gröden, Ueberetsch und Valsugana; später er-
baute er sich ein Landhaus in Pinswang, wo er seit zwan-
zig Jahren seine ganze Urlaubszeit verbrachte; auch Inns-
bruck besuchte er jährlich mehrmals, seitdem seine älteste
Tochter mit Hofrat Dr. Peer verehelicht ist; noch vor drei
Jahren hielt er hier einen Hochschulvortrag über Ernährungs
fragen. Diese Verbundenheit des Geheimrat Rubner mit Tirol
verdient, daß auch an dieser Stelle dieses seltenen Mannes
gedacht werde.“