Die deutschen Zehn Gebote?
Die hier zu sehenden Postkarten sind eine Serie die von Karl Alexander Wilke illustriert wurden. Der aus Leipzig stammende Maler und Illustrator war, wie man vielleicht an den Karten erkennen kann, deutschnational gesinnt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeitete er beim Scherer – „erstes illustriertes Tiroler Witzblatt für Politik, Kunst und Leben“, eine stark antiklerikal und deutschnational gerichtete Publikation, die v.a. aufgrund der ersteren Stoßrichtung von Innsbruck nach Wien übersiedelte. So manche Kampagne der Zeitung führte zu Spannungen mit der katholischen Kirche – etwa „Los von Rom“.
Am 24. Juni 1932 trat Wilke in die NSDAP ein und wurde kurz nach dem Anschluss Leiter des Österreichischen Landesverlags.
Das erste Gebot lehnt sich an das bekannte Zitat Bismarcks an, dass „der Deutsche Gott fürchte, und sonst nichts auf der Welt“. Das Zitat stammt aus einer Rede des Kanzlers vor dem Deutschen Reichstag am 06. Februar 1888 und wurde in der Folge zu einem Fixpunkt deutschen Säbelrasselns und deutschnationaler Propaganda – so landete er auch auf der ersten der Postkarten der Serie „der zehn Gebote des deutschen Volkes“. Als Bismarck die Rede hielt, debattierte der Reichstag über eine massive Aufstockung des Wehretats und Ausdehnung der Wehrpflicht. Bismarck argumentierte, dass die außenpolitische Situation des Deutschen Kaiserreiches ein so großes Heer erforderlich mache, wobei er jedoch hervorhob, dass es keine aktuelle Krise war, sondern ein Dauerzustand und dass nur ein ausreichend großes Heer Aggressionen der Nachbarn abhalten könne. Dem antiken Diktum entsprechend, dass man sich zum Krieg rüsten müsse, um den Frieden zu wahren, argumentierte er weiter, dass ein so großes Heer es unwahrscheinlicher mache, dass Deutschland je einen Angriffskrieg führen würde.
„Mit der gewaltigen Maschine, zu der wir das deutsche Heerwesen ausbilden, unternimmt man keinen Angriff. Wenn ich heute vor Sie treten wollte und Ihnen sagen: (…) Wir sind erheblich bedroht von Frankreich und Russland; es ist vorauszusehen, dass wir angegriffen werden; meiner Überzeugung nach glaube ich (…), es ist nützlicher für uns (…), dass wir jetzt gleich schlagen; der Angriffskrieg ist für uns vorteilhafter zu führen, und ich bitte also den Reichstag um einen Kredit von einer Milliarde oder einer halben Milliarde, um den Krieg gegen unsere beiden Nachbarn heute zu unternehmen, – ja, meine Herren, ich weiß nicht, ob Sie das Vertrauen zu mir haben würden, mir das zu bewilligen. Ich hoffe nicht.“
Die Idee war, dass ein Krieg mit einem so gewaltigen Heer nur ein Verteidigungskrieg sein könnte, der mit der Unterstützung des Volkes geführt würde, da die Kosten und Entbehrungen für Volk und Staat zu hoch wären, um sie anders tragen zu können. Gleichzeitig würde ein so großes Heer natürlich die Feinde des Deutschen Reiches vor einem Angriff abschrecken.
Das anfangs erwähnte Zitat bildete den Schluss der Rede, mit einem Zusatz jedoch, der von jingoistischen Stimmen selten mitzitiert wurde: „Wir Deutsche fürchten Gott, ab er sonst nichts in der Welt! Und die Gottesfurcht ist es schon, die uns den Frieden lieben und pflegen lässt.“
(Signatur sommer 10_01)