Nie zurück! (III.)
Es gelingt jedoch nur für wenige Tage dem Eis zu entkommen, bald darauf müssen wieder die Kessel befeuert werden um sich durchzukämpfen. Unweit von Nowaja Semlja wird am 08. August ein Schoner gesichtet – die Besatzung eilt unter Deck um Briefe an die Heimat zu verfassen, doch ehe sie soweit sind, verschwindet das Schiff in einer Bucht der russischen Insel. Etwas enttäuscht setzen die Pioniere ihren Weg in nordöstlicher Richtung fort. Die nicht untergehende Sonne lässt das schwere Eis in einem dunklen violett schimmern, aber sie spendet den Männern wenig Wärme. Immer noch müssen sie sich unter Dampf durch das Eis kämpfen, erst um Mitternacht erreichen sie wieder offene Gewässer.
Nach zwei Tagen freier Fahrt wird das Schiff beinahe wieder von Treibeis eingeschlossen. Mithilfe des Warpankers gelang es der Mannschaft in mühsamer Arbeit es nach vier Stunden schließlich zu durchbrechen. Der Warpanker, auch Wurfanker, musste vor dem Schiff ausgebracht werden, anschließend wurde die Ankerleine eingeholt und so das Schiff durch das Eis gezogen.
Die Besatzung kann wieder für kurze Zeit gutes Wetter und offenes Meer genießen, am 12. August aber hüllt starker Nebel das Schiff ein, so dass der Befehl gegeben wird, an einer großen Eisscholle zu ankern, wo einige Probefahrten mit den Schlitten unternommen werden. Das Wetter am nächsten Tag bringt nichts besseres, starker Wind kommt auf und ein Schneesturm kleidet das gesamte Schiff weiß ein.
Am selben Tag sichten sie jedoch auch ein anderes Schiff, das ebenfalls unter rot-weiß-roter Flagge segelt. Es handelt sich um die Isbjörn, ein kleines, 13 Meter langes, aber neues und starkes Schiff, auf dem Graf Wilczek, dem Hauptfinancier der Expedition, der auch selbst eine Begleitexpedition unternommen hatte um ein Nahrungsdepot für sie einzurichten. Er wird begleitet vom Baron von Sterneck, dem späteren Kommandanten der k.u.k. Marine. Abends kommen beide auf einen kurzen Besuch an Bord der Admiral Tegetthoff.
Die Schiffe segeln nun unter guten Verhältnissen gemeinsam für einen Tag weiter nach Nordosten, dann kommt jedoch wieder ein Sturm auf, der beide dazu zwingt, nebeneinander unweit der Küste zu ankern. Starker Südwestwind, Nebel, Schnee und Eis zwingen sie zu einem längeren Aufenthalt. Die Zeit wird jedoch genutzt, um ein Lebensmitteldepot einzurichten und weitere Schlittenfahrten zu unternehmen. Den 18. August verbringen die Besatzungen beider Schiffe zusammen bei einem Festessen und hissen die seidene Flagge – es wird der 42. Geburtstag des Kaisers gefeiert. Es gibt auch einen Schießwettbewerb, Alexander Klotz wird dritter, Haller vierter.
Weiterhin herrscht jedoch schlechtes Wetter. Die ungewöhnlich geformten Berge, die sich auf den Inseln vor den Männern erheben, werden von den russischen Walrossjägern unheilvoll „Drei Särge“ genannt. Professor Hans Höfer, ein Geologe, der Teil der Mannschaft von Graf Wilczek war, verfasst eine Beschreibung der Inseln, die an vielen Stellen melancholische Töne annimmt:
„Damals kannte also auch dieser nun völlig abgestorbene und im Eise begrabene Erdteil eine Periode des üppigen Lebens. Im Meere tummelte sich eine tausendfältige, oft zierlich gebaute Tierwelt, während das Land (…) mit palmenartigen, riesigen Farrenkräutern gekrönt war. Wir heißen dieses Zeitalter der Erdgeschichte die Steinkohlenperiode; sie war die reich gesegnete Jugend des hohen Nordens, der seinen Lebensgang rascher tat, dem Ersterben rascher zueilte, als die noch jetzt in aller Kraft und täglichem Wechselspiele dahinlebenden südlicheren Zonen. (…) Wenn eine kurze Betrachtung der hier begrabenen Versteinerungen in uns ein Bild einstigen üppigen Lebens, eine formenreiche organische Schöpfung, gleichsam aus dem Traume erweckte, so muss uns ein Blick auf die Jetztzeit der Inseln geradezu düster stimmen.“[1]
(Signatur Ph-A-24395-1-94; das Treibeis im Nordmeer)
[1] Bericht von Professor Hans Höfer von Heimhalt, zitiert nach: Julius Payer, Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition.