Tagträumen wie Phönix am Inn
Das städtische Amt für Visionen und Zukunft (auch Stadtplanung genannt) wurde in den Jahren 1945 bis 1960 von einem Architekten geleitet, der den passenden Familiennamen Neuzil trug. 1894 in Pressburg/Pozsony/Bratislava geboren, wurde sein Vater um 1905 als Lehrer an die Innsbrucker Kadettenschule versetzt und übersiedelte mit der Familie hierher. 1912 maturierte Walter Neuzil an der Oberrealschule (heute APP) und ging dann zum Studium nach Wien. In den Innsbrucker Adressbüchern der Zwischenkriegszeit ist noch viele Jahre sein Vater Franz zu finden, Walter Neuzil und Familie erst ab 1945.
Man stelle sich kurz die Innsbrucker Realität von 1949 vor. Besetzt von der französischen Armee, viele junge Männer im Krieg geblieben oder in Gefangenschaft, die Hälfte der Innsbrucker Häuser nach den Bombardierungen unbewohnbar. Geld ist Mangelware, an allen Ecken wird notdürftig geflickt und repariert. Stadtplaner denken in Generationen, nur so ist der optimistische Entwurf Neuzils (hier in der interaktiven Version) zu verstehen: Was haben wir an Flächen, wie soll sich die Bebauung entwickeln. Anders als die NS-Planer vor ihm geht der Architekt hier weniger monumental zur Sache und der Bahnhof darf einstweilen auch bleiben, wo er ist. Offen ist noch der neue Platz für einen Flughafen und hier fiel bald die tatsächlich für Generationen getroffene Entscheidung für die nassen Wiesen der Höttinger Au. Ins Auge sticht auch die vorweggenommene Entwicklung der Hungerburg zu einem Architektur-Museum der Cortenstahl-Mode der 2000er Jahre.
Walter Neuzil hat zu seine Pensionierung 1960 ein langes Manifest zu seinem Denken und zu seiner Arbeit in Innsbruck im hiesigen Amtsblatt hinterlassen. Es ist für einen Praktiker erstaunlich theoretisch gehalten und wird erst auf der letzten Seite etwas launiger. In seinem Nachruf (er starb 1990 mit 98 Jahren) steht der schöne Satz , dass er „auch so manche Niederlage mit innerer Größe ertragen“ habe. Das bezieht sich vielleicht auf die städtebauliche Entwicklung, die Innsbruck nach seiner Amtszeit genommen hat.
DI Dr. Walter Neuzil war eine herausragende Persönlichkeit, ich durfte ihn wenige Jahre vor seinem Tod persönlich kennenlernen. Er war auch im hohen Alter ein leidenschaftlicher, brillanter Denker, humorvoll und gütig.
Meines Wissens ist er am 18. April 1992 verstorben.