Cleo de Mérode, Teil 2
Wie bereits im ersten Teil des Artikels ausgeführt, erregte Cleo de Mérode nicht nur wegen ihrer Tanzkunst sondern auch wegen ihrer Schönheit viel Aufsehen und zahlreiche Verehrer scharten sich um sie. Dass die Bewunderung mancher Männer aber zu weit ging, kam durchaus vor. So erschien in den Innsbrucker Nachrichten vom 7. Juni 1900 folgender Artikel mit dem Titel „Ein Kussattentat auf Cleo de Mérode“: „Die Tänzerin Cleo de Mérode ist, wie aus Paris berichtet wird, das Opfer eines eigenartigen Attentats geworden. Ein Vertreter der Aristokratie, Mitglied eines fashionablen Pariser Clubs, ging mit der schönen Cleo kürzlich eines Nachmittags den Boulevard des Capucines entlang, als ein hünenhafter Arbeiter, der ihnen entgegen kam, plötzlich mit dem Ausrufe: „Ah, da ist ja meine Herzallerliebste!“ stehen blieb. Ohne viel Umstände fasste er die Erschrockene um die Taille und drückte sie an sich. Der elegante Begleiter der jungen Dame schlug mit seinem zierlichen Spazierstöckchen auf den Unverschämten ein, wurde aber von diesem mit einem einzigen Faustschlag zu Boden gestreckt. Vor den Augen der sich ansammelnden Passanten riss der liebeschmachtende Proletarier die schmächtige Gestalt der Tänzerin in seine muskulösen Arme und küsste sie, trotzdem sie laut um Hilfe schreiend ihr Gesicht abwandte, zu wiederholten Malen leidenschaftlich auf die Lippen. Endlich gelang es einigen Männern, die sich von hinten auf den Mann stürzten, ihn zu bewältigen und den auf dem Schauplatz des sonderbaren Attentates erscheinenden Schutzleuten zu übergeben. Vor den Polizeirichter geführt, zeigte der Kussheld nicht die geringste Verlegenheit. Er gestand es offen ein, dass er in die Tänzerin verliebt sei. Er habe geschworen, bei der ersten besten Gelegenheit, die sich ihm bieten würde, sie in die Arme zu nehmen und abzuküssen. Jetzt, da er dies erreicht, sei er zufrieden. Trotz seiner geschickten Vertheidigung musste Gaspardin hinter Schloss und Riegel wandern. Cleo de Mérode hat aber ein weiches Herz. Sie hat bereits Schritte gethan, um durch Verwendung einflussreicher Freunde die Freilassung ihres resoluten Anbeters zu erwirken.“
Zahlreiche Künstler verewigten Cleo de Mérode in ihren Kunstwerken. So stand sie bereits mit elf Jahren dem Maler Edgar Degas Modell, einige Jahre später dann dem Bildhauer Alexandre Fauière, der mit seiner Skulptur mit dem Titel „Danseuse“, die die Gesichtszüge von Cleo de Mérode trug, großes Aufsehen erregte. Zahlreiche weitere Künstler porträtierten die schöne Tänzerin. Während ihrer Zeit in München stand sie den Malern Friedrich August von Kaulbach und Franz von Lenbach Modell. Das „Salzburger Volksblatt“ berichtete am 23. Oktober 1902 über ihr Sitzungen bei Letzterem Folgendes: „Auf Einladung Professor von Lenbach kommt die in Paris so gefeierte und auch anderwärts bekannte Tänzerin Cleo de Mérode am Anfang des Novembers nach München, um dem Meister des Porträts zu sitzen. Cleo de Mérode ist zu bekannt, als daß man über den Liebling des Königs der Belgier und des Schah von Persien viel zu sagen hätte. Ihre Schönheit und ihre Tanzkunst sind gleich berühmt. Als Tänzerin hat Cleo de Mérode, die zur Zeit noch im Wintergarten in Berlin auftritt, mit einer Monats-Gage von 30000 Mark wohl die höchste in Varietés je gezahlte Gage erreicht. die Tanzkünstlerin wird vom 1. November ab einige Tage im Münchener Varieté Blumensäle auftreten, jedoch nur so lange als ihre Sitzungen bei Professor v. Lenbach dauern.“
Auch auf Zelluloid wurde der Ausnahmekünstlerin ein Denkmal gesetzt: Der erste Teil der Filmreihe „Frauen der Leidenschaft“, die 1926 im Triumph-Kino in Innsbruck mehrfach vorgeführt wurde, war Cleo de Mérode gewidmet.
(Foto: Wikimedia Commons, ca. 1900)