Im Untergrund
Heute blicken wir einmal in die Abgründe Innsbrucks. Zumindest in Hans Ruefs Weinkeller in der Anichstraße 7. Nachdem Michael Brüll in dem Haus erst 1894 aufscheint, kann das Kunstwerk nur kurz vor 1900 entstanden sein. Die Lithographie war da bereits eine vor allem künstlerische Ausdrucksform. Zu diesem Zeitpunkt hätte es bereits modernere Techniken gegeben. Es soll also auch eine nostalgische Atmosphäre vermittelt werden.
Der Grund, warum ich diese Lithographie ausgesucht habe liegt darin, dass es (beinahe) zahllose Details zu entdecken gibt. Schon auf den ersten Blick fällt die Vielzahl an Hunden diverser Rassen auf. Ich zähle sechs oder sieben (unter dem Tisch auf dem kleinen Bild). Die kleine Darstellung dürfte ein „Jäger-Stüberl“ zeigen. Wie unter Waidmännern nicht unerwartbar, wurden hier nur Wahrheiten über die letzte Strecke und die Erfolge bei der Sennerin ausgetauscht. Notfalls auch auf Latein… Vielleicht wurden die besten Berichte an der Wand verewigt.
Doch wenden wir uns der anderen Darstellung zu:
Der Wirt, Hans Ruef, könnte der spitzbärtige Mann sein, der ein anständiges Glas Wein und etwas zu Essen an den Tisch bringt. Über die Bartformen lesen Sie hier mehr: https://de.wikipedia.org/wiki/Barthaar. Die meisten dieser teils kuriosen Gesichtsdekorationen gehen auf das 19. Jahrhundert zurück.
Die Gruppe Zecher am linken Bildrand sollen wohl die potentiellen Kunden als Gäste symbolisieren. Möglicherweise: Der Bürger, der Intellektuelle (mit Monokel), der Kaufmann (mit Hut) und natürlich der trinkfeste farbentragende Student. Interessant wie der Mann ganz links sein Glas hält. Etwas unklar bleibt, wenn der Mann in der Bildmitte darstellen soll: Einen Schützen? Die Kleidung kann ich nicht mit Sicherheit auflösen. Dass die meisten Männer auch beim Zechen die Hüte tragen, erscheint einigermaßen überraschend. Das Rauchen natürlich nicht.
In dem imposanten Gewölbe finden sich zahlreiche Fässer und geleerte (?) Flaschen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vereinheitlichen sich zunehmend die Maße und Gebinde. Eine frühe Stufe der industriellen Produktion. Die angepriesenen Weine sind die Klassiker ihrer Zeit. Über die Dauer des Lokals habe ich bisher keine Unterlagen gefunden. Aber vielleicht übernimmt das die LeserInnenschaft…?
Den Künstler dieses facettenreichen Kunstwerks ist leider nicht bekannt. Vielleicht sind die Buchstaben „JR“ auf den Fässern ein Hinweis. Ich kann es aber nicht auflösen.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Bi/g-100)
Stilistisch passt das Blatt viel besser in die 1880er-Jahre. Die Bleistiftnotiz „im Brüllhaus“ kann auch nachträglich und etliche Jahre später auf das Papier gekommen sein.
In den Innsbrucker Nachrichten lässt sich der Weinkeller von Hans Ruef in der Tat nur von 1880 bis 1883 verfolgen. 1884 findet sich die Todesanzeige von Hans Ruef.
Laut den Innsbrucker Nachrichten vom 03.07.1880 erfolgte per 1. Juli 1880 die Übernahme des Weinkellers durch Hans Ruef.
Jedenfalls ein nettes Bild von dem sich außer dem Hundekult kein Detail in die heutige Zeit gerettet hat. Ja, Weingläser und Flaschen gibts natürlich noch immer. Aber Wein in einem „Römer“ kredenzt bekommen hab ich schon lange nimmer. Dabei sind die Schickimicki Riesengläser sowas von unpraktisch und fad. Nein, der Einwand gilt nicht, der Wein „atmet“ nicht, die Glasproduzenten wollen größere Formate verkaufen. Der Mann mit dem komisch gehaltenen Glas ist einfach nur schlecht gezeichnet.
JR wird Johann Ruef abkürzen, bis Dallas war es noch weit. Und die handschriftliche Notiz dürfte nach einem verzweifelt gesuchten und endlich herausgefundenen „Wo war denn das??“ Raten für alle Ewigkeit notiert worden sein. Danke der gewissenhaften Seele.