Promenadenkonzert?!
Während des Ersten Weltkrieges schickte die Habsburgermonarchie ausgewählte Regimentsmusikkapellen auf Konzertreisen nach Deutschland, um ihr Image beim Bündnispartner aufzupolieren. So gastierte etwa 1916 die Musik des böhmischen Infanterie-Regiments Nr. 73 in München. Gleichzeitig bereisten deutsche Militärkapellen Österreich-Ungarn mit der Absicht, Stimmung für das – nicht immer und überall populäre – Bündnis mit dem Deutschen Kaiserreich zu machen.
So gastierte im Spätherbst 1915 die Musik des königlich-bayrischen Infanterie-Leib-Regiments zunächst in Salzburg und sodann in Innsbruck. Über die Auftritte berichtete die Presse ausführlichst, nicht ohne gewisse Klischees zu bedienen. Aber lesen Sie selbst:
„Nachdem die bayerischen Gäste das Mittagsmahl im Hotel ‚Europa‘ eingenommen und den Nachmittag in kameradschaftlichem Verkehr mit unseren Kaiserjäger-Musikern verbracht hatten, fand abends [4.12.1915] im großen Stadtsaale das erste Konzert der Musik des kgl. bayer. Infanterie-Leibregiments statt. Mit der in Deutschland üblichen, unbedingten militärischen Pünktlichkeit erhob Musikmeister Huber um 8 Uhr den Taktstock, während erst noch wenige Zuhörer im Saale vorhanden waren. Innsbruck ist an so etwas noch nicht gewöhnt; man ißt gemütlich daheim sein Abendessen und geht dann oder fährt mit der Trambahn, was noch mehr Verzögerungen abgibt, allmählich zur Musik. In diesem Falle wäre es aber Pflicht der Höflichkeit und Aufmerksamkeit gegen unsere Gäste gewesen, möglichst pünktlich im Konzertsaale zu erscheinen. Und noch etwas: Promenadekonzert! Ein, scheint es, hier noch etwas schreckhafter Ausdruck und Begriff. Daß man bei einer Musik nicht bei Tischen sitzen, essen, trinken, rauchen und während der Vorträge gemütlich weiterplauschen kann, dürfte so manche vom Besuche des Konzertes abgehalten haben, denn die Plätze für die Konzerte am heutigen und morgigen Abend im Hotel Maria Theresia sind bereits gestern vollständig ausverkauft gewesen. Daß man bei einem Promenadekonzert in einem Saale geradeso promeniert, wie z. B. bei den Konzerten auf dem Rennweg oder im Hofgarten, daß man dabei da und dort mit Bekannten spricht und sich unterhält, daß ein solches Promenadekonzert, wie sie z. B. in anderen Städten jeden Sonntag nachmittags stattfinden, gerade viel mehr Reiz haben muß, als wenn man festge bannt an einem Sitze bleiben muß, scheint hier noch unbekannt zu sein. Leider hat der gestrige Versuch der Einführung dieser Art von Konzerten unseren Gästen gewiß eine innerliche Enttäuschung und dem Zwecke der Veranstaltung einen bedeutenden Abbruch gebracht. Es waren im ganzen nicht 400 Personen anwesend, was gewiß außer ordentlich bedauerlich war. Denn die musikalischen Leistungen der Leiber-Musik waren bewundernswert; Kraft, Disziplin aus allem und jedem zu erkennen, gute Schulung und Durcharbeitung aller Musikstücke. In den Fanfaren-Liedern lernten wir neues Schönes kennen, ebenso in den Trommel- und Pfeifen-Vorträgen. Eine großartige Leistung stellte das zum Schluß gebrachte musikalische Gemälde des gegenwärtigen Krieges dar, das kolossale Anforderungen an jeden einzelnen Musiker stellte. Dankbar zollte auch das Publikum allen Darbietungen unserer Gäste wohlverdienten, lebhaften Beifall, der sich noch steigerte, als der hiesige Verein der Reichsdeutschen ‚Germania‘ durch seinen Vorstand A. Hauber der Kapelle einen Willkommgruß in Form eines riesigen Lorbeerkranzes mit schwarz-weiß-roten Schleifen überreichte. Zahlreiche Zugaben erfreuten die Zuhörer immer wieder. Unter den Anwesenden bemerkten wir: Se. Exzellenz den Statthalter Grafen Toggenburg mit Gemahlin, Se. Exzellenz den Landeshauptmann Dr. Frhr. v. Kathrein, Se. Exzellenz den Militärkommandanten FML. von Tschurtschenthaler, FML. Daniel, den Stationskommandanten Generalmajor v. Martini, Ihre Exzellenz Frau Baronin Call, Statthalterei-Vizepräsident Freiherr v. Rungg mit Gemahlin, den Vizepräsidenten des Roten Kreuzes, Gotthard Grafen Trapp, den Präsidenten des Landesgerichts v. Lutterotti, Staatsbahn-Direktor Hofrat Jeczmieniowsky, Frau Hofrat v. Klebelsberg, Bürgermeister W. Greil, Vizebürgermeister Dr. Erler, die Gemeinderäte Architekt Fritz, Bankdirektor Sonvico und Schlossermeister Zösmayr, den Verweser des kais. deutschen Konsulates, Justizrat Dr. Schürmann, kais. deutscher Konsul Pohlschröder, 1. Staatsanwalt Dr. Ganahl, Staatsbahnrat Findeis, kais. Rat Strack, Bezirkshauptmann v. Unterrichter, Präsidialvorstand Sekretär Dr. Bundsmann, ev. Pfarrer Wehrenfennig und zahlreiche Offiziere mit ihren Damen. Sonntagmorgens unternahmen unsere bayerischen Gäste unter Führung ihrer Kameraden von der Kaiserjäger-Regiments-Kapelle einen Spaziergang durch die Stadt auf den Berg Isel, wo nach Besichtigung des Denkmals Andreas Hofers und des Berg Isel-Museums ein Frühschoppen eingenommen wurde. Vormittags hielt die Musik im Hofgarten ein Konzert ab, das sich eines sehr starken Besuches erfreute. Damen des Roten Kreuzes widmeten sich in aufopfernder und rührender Weise dem Verkauf von Ansichtskarten. Nachmittags fand im Saale der Brauerei Büchsenhausen ein außerordentlich stark besuchtes Volkskonzert der bayer. Leibregimentsmusik statt, bei dem die patriotischen Weisen besonders große Begeisterung Hervorriefen. Abends spielte die Musik im Saale des Hotels Maria Theresia vor vollbesetzten Tischen […], so die Innsbrucker Nachrichten am 6. Dezember 1915.
Unser Titelfoto zeigt die Musik des Infanterie-Leib-Regiments nach der Ankunft in Innsbruck am 4. Dezember 1915 vor dem Militärkommando in der Erlerstraße.
(StAI, Slg. Sommer)
Dazu passt auch dieses Baustellenfoto aus der Erlerstraße – ebenfalls ein Beitrag aus Egger´scher Feder! Die Stuckfassade des Hauses ist deutlich wiederzuerkennen:
https://innsbruck-erinnert.at/unloesbar-2/
Im Parterre dieses Hauses war später die Einfahrt zur Parkgarage des Kaufhaus Tyrol.
Der Balkon war in den Jahren vor dem Abriss, wie z.B. auf Fotos vom Jahr 2005 zu sehen, nicht mehr vorhanden.