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Streit Um Den Weltfrieden

Streit um den Weltfrieden

In der Universitätsstraße 28 gingen wir als junge Taxler manchmal nach dem Abend-Dienst noch auf einen Absacker, damals hieß das Lokal Burgtaverne und war, naja, jedenfalls bis spät in der Früh geöffnet. Zu dieser Zeit tranken 99% der Chauffeure keinen Alkohol während der Schicht, dem restlichen Promille sollte man nach Mitternacht besser keine Fuhr mehr wegschnappen.

Den längsten Teil seiner Existenz wurde dieses Gasthaus die „Graue Katz“ gerufen. Mitten im Ersten Weltkrieg wurde der Name im pazifistischen Hoffen auf „Zum Weltfrieden“ geändert, schon wenige Jahre später und bis in die 1980er hinein war es wieder die Graue Katz.

Wenn man heute an dem Gebäude vorbeigeht (hineingehen geht gerade nicht) würde man nicht vermuten, dass es sich hier um eine Ikone der Innsbrucker Gastronomiegeschichte gehandelt hat. Der Akt im Stadtarchiv beginnt im Jahr 1856 mit dem Antrag des Bartlmä Lettenbichler um die Erlaubnis der Einrichtung einer Schankwirtschaft. Wenig überraschend wird ihm diese zunächst vom Magistrat verweigert, mit Umwegen über die nächsten Instanzen in der k.k.Statthalterei gelingt die Genehmigung dann doch noch.

Der Akt enthält noch viele weitere Schreiben von Rechtsanwälten – die Schank-Konzession ist teilweise an Personen, teilweise an Gebäude ausgestellt, wenn dann der Wirt in Konkurs geht kann der nächste Besitzer des versteigerten Hauses die Konzession nicht einfach übernehmen, wenn das der die Konzession dafür innehabende Wirt nicht will. Letzterer darf aber, da nicht mehr Eigentümer des Hauses, dieses nicht ohne Einverständnis des Nachfolgers betreten, also ergeben sich jahrelange Patt-Situationen mit verzwickten rechtlichen Irrungen. An einem Punkt im Juni 1938 fühlt sich der ehemalige Wirt Alois Oberparleiter von den Innsbrucker Behörden wiederholt arg gegängelt und schreibt in einer mehrseitigen Eingabe nach dem Verweis auf ihm bekannte anders gehandhabte Fälle:
„Die Verschiedenheit besteht darin, daß der Magistrat, wie er es überhaupt im Brauch hat, eine alte, längst ruhende Konzession nicht zur Löschung brachte, sondern verhandelte.“

Diese Insubordination kann der hier kritisierte Magistrat natürlich nicht auf sich sitzen lassen und verhängt eine Ordnungsstrafe von 50 Schilling für allgemeine Ungebührlichkeit im Ausdrucke bei Schreiben an die Stadtverwaltung. Jetzt entspinnt sich parallel zu den Streitereien um die Konzession ein Privatissimum zwischen Magistrat und Wirt, ob dieser Satz nun die dem Unterthanen zustehende Kritikparameter gerade noch einhält oder doch bereits gröblich verletzt. Nach mehreren Berufungen, Aufschiebungen und (letztlich 18!) Instanzenzügen bis zum Bundesgerichtshof, die die Stadtbevölkerung viele Stunden mit Rechthabereien verplempelter Beamtendienstzeit (Vor- und Nachbesprechungen beim Kollegentratsch nicht mitgerechnet) gekostet haben, spricht die Landeshauptmannschaft schließlich im Februar 1939 ein Machtwort und sagt mit Verweis auf den Spruch aus Wien, es sei keine Beleidigung möglich gewesen, da der fragliche Paragraph 34 nur die jeweilige Eingabe vor Beleidigungen schütze, nicht aber den gesamte Stadtverwaltung vor sonstigem der Behörde abträglichem Verhalten eines Eingebers.

Der unterhaltsame dicke Akt endet im Jahr 1983, als der Besitzer das Lokal in eine Nachtbar umwandeln möchte. Das war dann die Vorgeschichte zu vielen Innsbrucker Anekdoten in der für Nachtvögel schweren Zeit, als man – ganz in der Nähe der Bogenmeile – immer Probleme hatte, nach 3 Uhr in der Früh noch ein offenes Lokal zu finden.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
  1. Später hieß das Gasthaus dann Burgtaverne, obwohl weit und breit keine Burg. Selbst die mit gutem Willen zu Fuß erreichbare Hofburg ist keine richtige. Sie wurde vom Wirt der jetzigen Virgerstube am Beginn der Gumppstraße betrieben und war wie diese es immer noch ist, gastronomisch eine Empfehlung wert.

    Leider sieht man das links davon gelegene kleine, aber feine Obstgeschäft von Bruno und Anni Witschela nicht, nur das ewig gleiche Auto, ein Opel Caravan steht hier ganz vorn in der Reihe, In einem alten Gewölbe untergebracht, bot man Obst und Gemüse bester Qualität, sowie ein paar Sachelen, die man in der Küche auch noch brauchen kann, an. Beide sind schon verstorben, Bruno 2012, Anni sieben Jahre später. Es waren sehr freundliche und bescheiden wirkende Leuteln.

  2. Zur „Burgtaverne“: ich sage es nur ungern, aber ich bin alt genug, um in den 1990ern, als ich noch in meiner Herkunfts-Hood, Dreiheiligen, wohnte, dort immer wieder mal spätnachts gewesen zu sein, als das Lokal „Burgtaverne“ hieß. Es gab dort sehr köstliche Weinbergschnecken in Knoblauch-Butter-Sauce, und ich, in diesem Alter ansonsten wahrlich kein Gourmet, hatte zwar nie Geld, war aber ziemlich süchtig danach. Ich glaube, ich habe dort nie etwas anderes gegessen. Ein Tempel der innerstädtischen Bohème. Dass das zuvor Jahrzehnte lang „Graue Katz'“ geheißen hatte, lese ich hier zum ersten Mal.
    Mein anderer spätnächtlicher Herumhäng-Ort war eine 24-Stunden-Videothek am Leipziger Platz, aber das ist eine andere Geschichte.

  3. Zur „Grauen Katz“:
    Am 30. August 1947 war meine schwangere Schwiegermutter, Frau Anna Kofler zu Fuß unterwegs zur Klinik, um ihr Kind zur Welt zu bringen.
    Ihre Tocher hatte es jedoch sehr eilig, Anna kam nur bis zur „Grauen Katz“, wo meine heutige Frau Margret zur Welt kam

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