Station Bergisel
Ich hoffe, die (Straßen-)Bahnfreunde werden die hier abgebildete Szenerie fachkundig beschreiben. Die einzige bahntechnische Frage, die ich mir stelle, ist, wo die Anlage für das Nachfüllen von Wasser in die Dampfkesseln ist. Weiter rechts?
Vielleicht kann auch jemand der Fachmenschen etwas zur „Station Berg-Isel“ und ihrem Ende sagen. Oder auch zu den anderen „Bahn-Accessoires“. Ist das eine Art Fahrplan an der Station zwischen den Fenstern?
Warum habe ich diese Postkarte ausgesucht, wenn ich nix dazu sagen kann? Ganz einfach, da ist noch so viel mehr zu entdecken. Da sind zum Beispiel die beiden Laternen. Oder der Kiosk am linken Bildrand, der doch recht einladend wirkt. Oder der Uniformierte ziemlich in der Bildmitte, der vielleicht einen kleinen Hund bei sich hat. Der Schatten geht ja nach Osten. Rechts hinten sieht man das Bierstindl, aber das ist jetzt keine neue Erkenntnis. Offen bleibt der Zweck der Gebäude hinter dem Kiosk mit zwei Sternen am Dach.
Besonders interessant wären die Menschen, die offenbar auf einen Zug warten. Es scheint sich – so weit eine Beobachtung bei dieser Auflösung möglich ist – um bürgerliche Ausflügler um das Jahr 1902 zuhandeln, die auf den Weitertransport warten.
Nicht zuletzt ist interessant, was wir über den Verlag von Caroline Frühwirth in Wilten in Erfahrung bringen können. Das bietet mir die (selbstgebaute…) Chance, auf www.insbruckerinnen.at hinzuweisen.
Aber es gibt auf dieser schönen Karte noch mehr zu entdecken.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, So-3-137)
Laut dem Verzeichnis der Gewerbetreibenden von 1905 hatte Frau Karoline Frühwirth einen Kiosk bzw. eine Gemischtwarenhandlung in der Klostergasse in Wilten.
Gut möglich, dass der Kiosk von Frau Neuwirth auf der Postkarte abgebildet ist!
1928 war der Kiosk der Tatort eines Einbruchs, wie der Tiroler Anzeiger zu berichten weiß:
„Als Oberladstätter, Mazurides und Reyer in den Kiosk
der Karoline Frühwirth einbrachen, hatten Oberladstätter
und Reyer bei der Lokalbahn je ein Stück Eisen gestohlen,
um damit die Eingangstüre in den Kiosk aufzubrechen.
Während der Arbeit wurden sie durch einen patrouillieren-
den Wachmann gestört. Die Burschen erfaßten sogleich die
Situation, taten, als ob sie jemandem im gegenüberliegenden
Haus pfiffen und auf dessen Erscheinen warteten. Als dann
der Wachmann vorüber war, wurde ruhig weiter „gearbei-
tet“…..“
Diese Postkarte ist ein wunderbares Kleinod der Alltagsgeschichte. 1929 kam es hier in dieser Gegend zu einer aufregenden Situation:
„Scheue Pferde. Am Montag um halb 12 Uhr mit-
tags lenkte ein Kutscher eine Möbelfuhre über die
Viller Straße von Igls nach Innsbruck. Beim Bretter-
keller brach am Wagen ein Rad, wodurch die Pferde
scheuten und mit der Deichsel, die sie abbrachen, durch-
gingen. Beim Bierstindl stand ein Milchfuhrwerk, das
ebenfalls mit zwei Pferden bespannt war. Als die
scheuen Pferde vorbeiliefen, wurden auch diese zwei
Pferde scheu und rannten samt dem Milchwagen gegen
den Berg-Isel-Bahnhof. In der Nähe des Kiosk in der
Klostergasse stürzten die Pferde und konnten dann von
Passanten festgehalten werden. Personen kamen nicht
zu Schaden.“
So berichtet es der Tiroler Anzeiger.
Ein auf dem Foto erkennbares Objekt ist mir schon lange ein Rätsel: Das Gebäude ganz links, welches auf dem Grundstück des Klosters stand und abgetrennt von der Klausur ein profane Funktion gehabt haben muß. Es sah aus wie ein schlichtes Wohnhaus und wurde im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer beschädigt und in der Folge ganz abgerissen. Was oder besser wer war da drin untergebracht?
Hier nochmals ein Privatfoto aus meiner Sammlung auf dem man diesen Zubau sieht.
https://postimg.cc/G83ZMy7S
Auf diesem Foto sieht man das Areal des Bergiselbahnhofs aus einem ganz ähnlichen Blickwinkel. Ein sehr interessanter Vergleich mit der Postkarte:
https://innsbruck-erinnert.at/fast-wie-heute/
Ich werfe gern meine laienhaften Mutmaßungen zu diesem wahnsinnig interessanten Bild des frühen Bergiselbahnhofs ein, bevor die echten Straßenbahnexpert:innen kommen.
Versiertere Eisenbahnhistoriker:innen mögen mich bitte korrigieren, aber meines Wissens nach gab es für die Innsbrucker Lokalbahnen keine aufwändigen Wasserstationen. Wassertürme und derlei wurden auf Grund der hoch gelegenen städtischen Wasserfassungen im Norden und Süden nicht benötigt. Die relativ kleinen Kessel der kleinen Schmalspurloks von LBIHiT und IMB wurden einfach in bestimmten Stationen (mir bekannt: Hall, Mühlau, Bergisel) mit Schläuchen über Hydranten neben dem Gleis befüllt, die in der Nähe verlaufende Druckleitungen der städtischen Trinkwasserversorgung anzapften. Naheliegenderweise müssten die Hydranten jeweils genau dort gewesen sein, wo die Lok in der Station zum Halten kam.
Die Tafel am Verwaltungsgebäude des Bergiselbahnhofs dürfte eine Abfahrtstafel (möglicherweise kombiniert für IMB und Haller Localbahn, die „Electrische Stadtbahn“ fehlt in dem Bild, weil es sie noch nicht gab, was einen Aufnahmezeitpunkt vor 1905 plausibel erscheinen lässt) sein, wo mit Steckschildern die jeweils nächsten Abfahrten angezeigt wurden. Das war sozusagen die menschen-aktualisierte ahrgastinformationsanzeige der damaligen Zeit. Wo und wie viele es davon gab, wäre sicher einmal ein interessanter lokalbahnhistorischer Forschungsgegenstand.
Zu den abgebildeten Menschen: Bergisel war zu dieser Zeit die Verknüpfungsstation zwischen IMB und LBIHiT. Das könnten einfach Fahrgäste sein, die auf die Anschlussbahn der einen oder anderen Linie warteten.
Zum Gebäude links hinten mit den Sternen auf dem Dach: dieses Gelände gehörte vermutlich spätestens ab 1906 (Jahr der ersten Erweiterung des Bergiselbahnhofs lt. Kreutz) zum Bergiselbahnhof, dort entstanden die Beiwagenremisen und diverse Abstellgleise, davon auch ein sehr langes, das entlang des Brennerbahndamms bis zum Durchlass nach St. Bartlmä führte. Wenn es irgendeinen Sinn machen würde, würde ich das Gebäude für einen Trafo- oder Umformerturm halten, so wie diesen hier, der in Kreith stand: https://tinyurl.com/2s3rat5m , ein Technikgebäude für die Stromversorgung, entsprechend der damaligen Technik mit großem Platz- und Kühlungsbedarf. Ich finde aber nichts dazu, dass es dort so etwas gegeben hätte, zumal 1902 wohl auch noch kein Bedarf dafür bestand. Die Electrische Stadtbahn wurde ab 1905 von der Neuhauserstraße aus vesorgt. Ich kann daher leider nicht sagen, was das gewesen sein könnte.
Links vorne könnte eine Baugrube (nur vorbereitet, ohne laufende Bauarbeiten?) zu sehen sein. Dort befand sich später die erste Triebwagenremise für die Stadtbahn. Bis zum Ende des Bergiselbahnhofs war dort eine der Abstellhallen für Triebwagen. Das würde übrigens für ein etwas späteres Aufnahmedatum sprechen, eher in Richtung 1904.
Zum Bergiselbahnhof selbst könnte man wohl ein kleines Buch schreiben, so viel gäbe es zu sagen. Er war über viele Jahrzehnte der Dreh- und Angelpunkt des Innsbrucker städtischen und regionalen Schienenverkehrs. Das „Bahnhofsgebäude“ in Bildmitte war das Verwaltungsgebäude der LBIHiT, der IMB und später der IVB, und über die Jahrzehnte „wucherte“ es im Süden von Stift Wilten und auf beiden Seiten der Klostergasse. Ein Großteil der Schienenfahrzeuge und Busse war dort garagiert (es gab auch noch kleine Remisen in Hall, Mühlau, Igls und Fulpmes und diverse externe Busgaragen sowie die Obusgarage in Arzl). Erst 1981 war die Übersiedlung aller Abstell- und Werkstättenanlagen in den damals neuen Betriebshof Pastorstraße abgeschlossen (der heute ja auch längst schon wieder zu klein geworden ist und durch die Remise Duilestraße ergänzt werden musste und schon sehr bald auch noch durch eine Garagenanlage mit Ladeinfrastruktur für E-Busse ergänzt werden wird). Die Bedeutung und Größe des Bergiselbahnhofs verdeutlicht der hier enthaltene Gleis- und Gebäudeplan des Bergiselbahnhofs (siehe Detailausschnitt rechts Mitte) aus 1967: https://tinyurl.com/3f8jymwh
Es kann durchaus sein, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt und nach längerem Betrachten dieses grandiosen Fotos noch etwas dazu schreiben muss. 🙂
Vor dem Wartehäuschen steht ein Strassenbahnbediensteter bereit um den Weichenhebel umzustellen. Der Dampf der Igler Lok deutet darauf, dass die Lok zum Photographen herfährt, also vermutlich zu den Personenwagen um an den Zug anzukoppeln. Für die IMB wurde zum Südbahndamm hin ein Wagenschuppen und die Bekohlung errichtet, wahrscheinlich wird dort auch gleich eine Wasserfassung gewesen sein. Die weiteren Personen dürften, wie Herr Schneiderbauer schrieb, aufs umsteigen wartende Passagiere sein.
Ob das Gebäude im Hintergrund vielleicht ein WC Häuschen gewesen sein könnte. Trafostation kenne ich keine dort.
Glaube auch nicht, dass hier schon Elektrizität vorhanden war. Am Dach sind eher die Telephonleitungen zu sehen. Die schönen Laternen dürften mit Gas betrieben worden sein.
Rechts erkennt man noch das Eck einer LBIHiT Lok.
Und abschließend fast ein Drohnen-Foto (aus dem Kirchturm?) als Übersicht dazu ….
https://innsbruck-erinnert.at/fast-wie-heute/
Eine Zusammenführung aller Fotos – örtlich bezogen – wäre schon cool!