Aus dem Tagebuch eines Kaiserschützenoffiziers VI
Nach den Strapazen der sogenannten Südtirol-Offensive ist der 42jährige Major Rudolf Hermanny-Miksch immer noch rekonvaleszent. Obwohl er sich seit dem 7. Juni 1916 in Reservespitälern in Innsbruck bzw. in Igls (Hotel Iglerhof) befindet, lässt die Genesung auf sich warten.
16/6 Erst um 10h aufgestanden – zum Arzt gegangen wegen Rheumatismus. Vormittags in Sonne kurzer Spaziergang, da starke Schmerzen in den Füßen.
Abends um 8h im Bett – Fieber genessen 38,2°.
Das Hotel bzw. Spital bietet rein gar nichts: kalte Zimmer, keine Zeitungen, keine sonstige Lektüre, keine Liegestühle, keine Bankerl in der Umgebung, die in der Sonne wären. Hotel teuer (zB. Stamperl Rum zum Thee 50 h). Der Wirt […] will sich bereichern oder seine Schulden zahlen. – Dafür gibt es Statuten im Spitale hier, die verlangen, daß die Offze. um 1/2 8 Uhr früh aufzustehen haben, daß sie auch nicht mit Stock gehen dürfen! Ist das nicht zu toll – Offze., die von der Front kommen, derart zu behandeln?
Eine Schmach!
17/6 In der Früh bloß 36,6° – doch sehr müde – vor- u. nachm. in Sonne gesessen. Lungenspitze scheint auch wieder angegriffen zu sein.
Heute nachm. folgende Episode im Iglerhof angehört:
Mjr. Rigetti [recte Kamilo Righetti] des IR 27: „Monte Lisser ist noch nicht genommen.“ Darauf ein ungar. Trainoberlt: „Dort war ja schon einmal etwas!“
Mjr. Rigetti: „Ja, 1866, das war aber Lissa, da war eine Seeschlacht“.
Bitte, ist das nicht ein Skandal für einen ung. Staatsbürger, daß er nicht einmal weiß, daß 1866 eine Seeschlacht bei Lissa war! Das kann nur ein ungarischer Hunne sein!
Abens 36,9° Temperatur […]. Stark müde.
18/6 (Sonntag) Häufig Regen. Igls daher unfreundlich und ungemütlich –
[…]
Hptm. [Franz] Jezek LSR II angekommen.
Trostloses Wetter – Regen.
19/6 (Montag) bei Regen im medizinische Klinik in Innsbruck zur Lungenuntersuchung gefahren.
[…]21/6 Befund der medizinischen Klinik in Innsbruck:
Über beide Lungen etwas … [?] Atem, vereinzelt trockenes Rasseln über beide Lungenspitzen.
Gewicht 60 kg.
[…] Röntgen:
Lungenfell, Hiluszeichnung sehr stark
[…]
Temperatur täglich messen
nachm. in Innsbruck
22/6 (Feiertag – Frohnleichnahm [sic]) nach in Igls – erster schöner Tag.
Urlaubsbewilligung erhalten. 4 Wochen nach Meran, Antritt 24/6 – Ende 21/7.
Nachm. 1/2 6 von Igls nach Innsbruck gefahren – Kreid (17) genächtigt, abends mit Hptm. Pils beisammen.
23/6 7’30 Früh von Innsbruck nach Bozen u. Meran gefahren.
Abends in Meran eingelangt. – Familie in bester Verfassung getroffen.
1/7 Noch in Meran – Klima sehr gut getan – Lungenkatarrh sehr … [?] gut – Rheumatische Nervenschmerzen hingegen geblieben.
Lebensmittel hinter der Front horrend teuer! In Meran aber noch nilliger als in Innsbruck u. Wien.
Preise in Meran
Rindfleisch 1 kg – 7 K 80 h
Kalbfleisch 1 kg – 10 K
1 Paar Würstel – 32 h
1 Kalbskopf – 5 K 80 h
1 Liter Milch – 36 h
1 Ei – 28 h
Butter 1 kg – 9 K 80 h
Kohlkopf – 50 h
Fisolen 1 kg – 2 K
Kirschen 1 kg – 2 K
Birnen zum Kompott 1 kg – 1 K 60 h
1 Gurke mittlere Größe – 1 K
Herrliche Tage sind’s!
Und mit diesem Eintrag endet unsere kleine Serie. Ende August 1916 musste Hermanny-Miksch zurück an die Front. Er sollte den Ersten Weltkrieg überleben und sich nach dem Untergang der Habsburgermonarchie mit seiner Familie in Innsbruck niederlassen …
(StAI, Ph-36244 / NL Rudolf Hermanny-Miksch)