Aus dem Tagebuch eines Kaiserschützenoffiziers IV
Wir haben Rudolf Hermanny-Miksch verlassen, als er am 31. März 1916 zu einem kurzen Urlaub aufbrach. In Meran besuchte er seine Familie, musste jedoch bereits am 3. April wieder die Fahrt an die Front antreten. Am nächsten Tag traf er bei seinem Bataillon in Baselga di Piné ein. Im Vorfeld der Südtirol-Offensive (mitunter auch „Strafexpedition“ genannt) der österreichisch-ungarischen Armee kam es Mitte April 1916 zu Kämpfen in der Valsuganga, an denen auch Hermanny-Miksch mit seinem Bataillon teilnahm. Binnen drei Wochen sollte sein Bataillon nicht weniger als 216 Männer verlieren, darunter 32 Tote, 105 Verwundete und 39 Kranke.
5/4 Strömender Regen. Vormittags Abmarschbefehl für 6/4 erhalten. Ja, um Gottes Willen, was soll das ewige hin u. her heißen? Wie sinnlos arbeitet der Generalstab! Wie soll da eine Truppe etwas leisten, wenn sie fortwährend hin- u. hergeschupft wird!
[…]
9/4 In Persen – Prachtwetter, Frühjahrspracht. – Vor 1 Woche bei Familie in Meran gewesen! Es bleibt die Erinnerung.
Von unserer Artill. wurde Borgo beschossen 36 Volltreff. Die Ital. antworteten mit der Beschießung von Caldonazzo, welches an 6 Stellen brannte.
10/4 Marsch Persen-Weitjoch mit 2. Komp. (Oblt. Berghofer), 3. Komp. (Rittm. Platter), MGA 1/I (Oblt. Löffler) u. Pionabtlg. (Lt Lenck) u. Telephonabtlg. (Oblt. Fallmann).
7h vorm. von Persen abmarschiert […] u. um 6h Weitjoch eingelangt – Baracken tief unter Schnee – teils eingedrückt. Unterkunft minder. Nur Wurst zum Nachtmahl.
12/4 5h Früh Telephondepesche aus Erteli [recte Erterli] eingetroffen: Im Vorfeld von S. Oswaldo erhöhte Patrouillentätigkeit, deutlich wahrnehmbare Avanti-Rufe und ein Feuerüberfall von ca. 1/2 fdl. Komp. Momentan Ruhe Habermann Hptm.
[…]
5’30 Früh Alarmierung abgesagt, da eig. Art. das Vorfeld von Oswaldo beschoß wurde Art.Duell hervorgerufen: ital. Art. beschoß Oswaldo, wo um 9h 3 Züge der 4. K. sich befinden.
Um 8h vorm. 2 Züge/2 Komp. zur Verstärkung von Weitjoch nach Erterli abgesandt.
Panarotta wird heftig beschossen. 1/2 PionAbtlg unter Lt. Lenck 6h vorm nach Erteli gesandt.
10’45 verlangt Hptm. Habermann Verstärkung.
10’50 Meldung, daß starke fdl. Inft. im Angriffe auf Oswaldo sich befindet.
10’55 Meldung, daß Oswaldo geräumt werden musste.
11h vorm. Befehl an Rttm. Olatter u. Oblt. Berghofer (3. u. 1/2 2. Komp.) nach Erteli abzumarschieren, Oblt. Berghofer meldet sich bei Hptm. Habermann, damit er die Halbkomp. dort einsetze, wo es gerade notwendig ist. […]
10’35 Baon 63 zur Verstärkung in Aussicht gestellt.
5’30 [nachm] trifft IBaon/63 in Weitjoch ein.
6’50 Depesche „Die Verstärkung des in Erteli befindlichen Ldst.Baon 1/I durch Inf Baon 63 wurde […] nicht zugestande, daher verbleibt Baon 63 auf Weitjoch […].“
Auf das hin ließ ich eine Komp. am Joch in der Baracke, die 3 anderen marschierten zur Panarotta-Baracke.
Angezogen niedergelegt (in Baracke bei Telephon) – 2 Stunden geschlafen.
Auf Oswaldo ca. 20 Todte u. Verwundete als Gefangene zurückgelassen (1. Komp.), darunter Leutnant [Rudolf] Hauptmannl.
16/4 Palmsonntag. Herrlicher Morgen auf Erteli – von 2-6 sehr schlecht u. angezogen in Blockhütte genächtigt. Bin infolge dieser tage- u. nächtelangen Strapazen ziemlich kaput [sic].
6’30 Früh 1ter Kanonenschuß.
[…]
11h vorm. ist Oswaldo wieder in unserem Besitz (genommen von Deutschmeister-Bataillon [= IV. Bataillon des k. u. k. Infanterie-Regiments „Hoch- und Deutschmeister“ Nr. 4]).
Vormittags wird Hptm. Helm, der in Reservestellung bei Pra di Castello steht, durch einen Schrapnelschuß am Rücken geprellt.
Sehr starker Ansturm auf Oswaldo nachm.
[…]
18/4 Kämpfe bei Votto – starke Beschießung von Panarotta – ich Kmdt. der Kampfgruppe auf Weitjoch (Standschützenbaon Zillerthal u. Sterzing) […].
Panarotte wird beschossen . 1 Granate knapp über mich auf ca 200x in Schnee u. Erde eingefallen [sic] – nichts geschehen.
In Zillerthalbaracke der 2. Komp. genächtigt – ausgezogen – um 2h Früh zum Telephon gerufen, sehr wenig geschlafen.
Wetter gut.
[…]
20/4 Im allgm. Ruhe – ich noch auf Weitjoch – Wetter wechselnd. Hptm. Helm krank in[s] Spital abgegangen.
21/4 In der Früh 6’30 beginn eines konzentrischen Art.feuers auf Votto. Geschützkampf lebhaft bis gegen Mittag, dann Nebel.
Ich noch auf Weitjoch.
Charfreitag – habe hier heroben sogar gefastet […].
23/4 Ostersonntag – in der Nacht starker Regen u. Schneefall (10 cm), ein … [?] Ostersonntag auf Weitjoch.
Mittag bereits 40 cm Neuschnee.
Vormittags Abmarschbefehl für Baon erhalten aus der Stellung Valcanai – Bernardi. […]
24/4 Ostermontag 8h vorm. mit Baon von Brenstal abmarschiert, um 1’45 in Persen eingelangt u. um 2’30 in Vigalzano eingetroffen. […] Wie erschlagen geschlafen nach diesen Strapazen. – Starker Husten.
29/4 Besichtigung des Rgts. durch Erzh[erzog] Eugen am Kirchplatz in Persen […] Erzh. Eugen schritt um 8h vorm. die Front ab, ließ sich dann Offiziere vorstellen.
Spendete dem Rgte für seine Leistungen im Kriege bis zu den jüngsten Ereignissen großes Lob.
[…]
(Text: StAI, NL Rudolf Hermany-Miksch, Foto: Erzherzog Eugen an der Südwestfront, Privatbesitz)
Das Titelfoto illustriert sehr schön die Körpergröße von Erzherzog Eugen.
Laut der Biografie von Zoe Baronin Schildenfeld war er etwas über 2 Meter groß!
Der k.u.k. Feldmarschall und Hoch- und Deutschmeister war damit wohl einer der größten Angehörigen des Hauses Habsburg-Lothringen.