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Vom Asyl Zur Herberge

Vom Asyl zur Herberge

Im Jahr 1923 feierte das „Stadtasyl für Obdachlose“ in der Herrengasse 2 seine 20-jährige Gründung. Wobei „feiern“ wohl etwas übertrieben ist. Die Lage in der Zwischenkriegszeit war trist. Innsbruck hatte mit hoher Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Armut zu kämpfen, die sich in steigenden Obdachlosenzahlen niederschlugen.

In einer am 26. Oktober 1923 abgehaltenen Gemeinderatssitzung verdeutlichen die sozialdemokratischen Gemeinderäte diese exorbitante Steigerung. Sie wiesen darauf hin, „dass der Jahresbelag des Obdachlosenasyles in der Vorkriegszeit 167 betrug, eine Zahl, die heute in 14 Tagen erreicht wird“! Das überstieg die Kapazitäten des Hauses bei weitem, weshalb die Gemeinderäte die Aufstellung zusätzlicher Betten forderten:

„Vor allem ist es notwendig, die Anzahl der bestehenden Eisenbetten in der Frauenabteilung zu erhöhen. Heute sind im Frauenraum nur 6 Eisenbetten aufgestellt, während der tägliche Bedarf das Doppelte beträgt. Es müssen täglich Obdachlose abgewiesen werden und es erübrigt sich wohl, auf die Gefahren hinzuweisen, denen insbesondere Frauen und Mädchen ausgesetzt sind, die ohne Obdach in der Nacht herumirren müssen.“

Weiters gab es Klagen über Personalmangel, schlechte hygienischen Bedingungen, unzureichende Beheizung und mangelhafte Kost. Der Antrag wurde zunächst „der geschäftsordnungsmässigen Behandlung zugewiesen“. Trotz Ausbau der Kapazitäten auf 39 Betten setzte sich in der Folge die Überzeugung durch, dass das Gebäude in der Herrengasse den Erfordernissen einfach nicht mehr gerecht werden konnte.

Deshalb beschloss der Gemeinderat im Jänner 1926 einen Neubau in der Hunoldstraße, der bis Jahresende fertiggestellt wurde. Die Kosten beliefen sich auf rund 200.000 Schilling (ca. 770.000 Euro). Aus hygienischen Gründen wurde der zweigeschossige Bau mit leicht zu reinigenden Böden, ausreichend Waschgelegenheiten und mit Metallbetten statt Holzgestellen oder Strohsäcken ausgestattet. Auch der Platzbedarf pro Gast war laut Bauakt reguliert – man fühlt sich beinahe an aktuelle Corona-Bestimmungen erinnert: „In den Schlafräumen ist für jede Person eine Grundfläche von mindestens 4m2 und ein Luftraum von mindestens 10m3 zu rechnen“.

Am 19. Jänner 1927 wurde die sogenannte „Städtische Herberge“ im Beisein zahlreicher Gemeinderäte eröffnet und ging tags darauf in Betrieb. Wie der Tiroler Anzeiger berichtete, bot das Erdgeschoß Platz für 52 Frauen und Kinder, das Obergeschoß für 68 Männer. Im Keller befanden sich Wasch- und Desinfektionsräume; im Heim übernachten durfte nur, wer ein Bad nahm und die Kleider desinfizieren ließ. Wie bereits in Hausordnung der Vorgängerinstitution war auch nun der Aufenthalt auf maximal drei Tage begrenzt. Dieser war aber im Gegensatz zu früher nicht mehr kostenlos: Für die Übernachtung samt Abend- und Morgensuppe wurde eine Gebühr von 50 Groschen eingehoben, das entspricht heute etwa 2 Euro.

Für das Gebäude in der Herrengasse war schnell eine Nachnutzung gefunden worden: Im Sommer konnten Wanderer und Pfadfinder dort unterkommen, im Winter sollte es als Wärmestube dienen.

Während der Errichtung der Herberge im Jahr 1926 hatte man übrigens die Hoffnung gehegt, dass das Gebäude in der Hunoldstraße nur vorrübergehend benötigt würde und in Zukunft einem anderen Zweck zugeführt werden könnte. „Allerdings“, so meinte der Allgemeine Tiroler Anzeiger am 3. September 1926, „ist auf Jahre hinaus nicht daran zu denken, daß die Obdachlosigkeit so weit behoben sein wird, daß das Haus als Jugendherberge Verwendung finden könnte.“ Dem wird man, nach nunmehr über 90 Jahren, nur zustimmen können…

Die Städtische Herberge ist in der Mitte des obigen Fotos aus dem Jahr 1930 zu sehen. Es handelt sich um eine Bildausschnitt, denn in unseren bereits verzeichneten Beständen finden sich zwar Fotos aus den 1940er- und 1950er-Jahren, aber keine Aufnahmen, in denen das Gebäude in seiner Form der 1920er- und 1930er-Jahren in den Bildmittelpunkt gerückt wurde. Haben Sie vielleicht ein derartiges Foto und können unsere Lücke mit einem Scan füllen? Wir würden uns freuen!

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck Ph-30754, Ausschnitt)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Die städtische Herberge in der Hunoldstraße war und ist für viele bedauernswertige, obdachlose Menschen besonders in der kalten Jahreszeit, die letzte Zufluchtsstätte für einen Schlafplatz mit Verpflegung. Es herrschten strenge Regeln, so musste die Person
    vor 22 Uhr kommen und durfte nicht Alkoholisiert, zumindest nicht stark sein.
    Wenn ich zurück denke, gab es in pol. Sicht selten größere Probleme.

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