Zur Situation der Frau – eine feministische Veranstaltung
Vom 24. bis zum 28. Oktober 1975 fand in Innsbruck eine mehrtägige Veranstaltung mit dem Titel „Zur Situation und Kreativität der Frau“ statt. Neben Vorträgen, Diskussionen und Lesungen konnte das interessierte Publikum auch Filmvorführungen, Performances verschiedener Künstlerinnen und eine Ausstellung besuchen. Veranstalter waren das Forum für aktuelle Kunst und die Galerie Krinzinger. Die Vorträge und Filmvorführungen fanden im Saal der Raiffeisenkasse in der Adamgasse, die Performances und Aktionen im Theater am Landhausplatz statt.
Am 29. Oktober 1975 wurde in der Tiroler Tageszeitung sehr ausführlich und – wenig überraschend – zum Teil auch sehr kritisch über die sehr gut besuchte Veranstaltung berichtet. So kann man darin unter anderem folgendes lesen: „Vier Tage lang gehörten Raiffeisensaal und Theater am Landhausplatz emanzipationsbewußten Frauen. Auch solchen, die es werden wollen, denn – sei es aufgrund des „TT“-Appells, sei es aufgrund der Mundpropaganda – am Montag waren die professionellen Feministinnen keineswegs mehr unter sich. Die Besucherzahl war beachtlich, es gab interessante, teilweise höchst realitätsbezogene Referate und im Anschluß daran anregende Diskussionen. An diesen Veranstaltungen und nicht an den spektakulären Aktionen […] sollte man meines Erachtens dieses vom Forum für aktuelle Kunst und der Galerie Krinzinger gemeinsam veranstaltete Symposium zum Thema „Zur Situation und Kreativität der Frau“ messen. Wie immer man zum geistigen Background dieser Tagung stehen mag, der deutlich von Adorno- bzw. Marcusethesen von der Frauenbewegung als der wichtigsten politischen Bewegung unserer Zeit geprägt war: Das Frauengespräch brachte eine Fülle wichtiger Informationen.“
Die verschiedenen Vorträge erhielten in dem Zeitungsartikel recht positive Bewertungen, doch das künstlerische Programm wurde stark kritisiert. „Weit weniger überzeugend als das theoretische Rüstzeug zum Thema „Kreativität und Frau“ war das künstlerische Programm, über das wir im folgenden kurz berichten. […] Als künstlerische Schwerpunkte der Feministinnenwoche hatte man Aktionen angesetzt. Was ablief war zum Teil abstoßend (Marina Abramovic, Belgrad), zum Teil eher langweilig (Valie Export, Wien), in einigen Augenblick zum Schock neuer Wahrnehmungsmöglichkeiten auflaufend (Katharina Sieverding, Ulrike Rosenbach, Düsseldorf). Als kreativ im Sinne der „Woche der Kreativität der Frau“ war die Performance der Christine Kubisch […]. Bei der Selbstverletzung und Selbstflagellation der Marina Abramovic verließen indes nicht nur Frauen, sondern auch Männer die mühsam eroberten Bodensitzplätze.„
Auch die Auswahl und Qualität der gezeigten Filme überzeugten die Reporter der Tiroler Tageszeitung nur teilweise: „Gleich der erste Tag machte es publik: Die Filme sind feministisch und sozialistisch, kommen aber nicht auf die Leinwand, wenn die Kasse nicht stimmt. […] Eingedenk der großen Filme aus der Suffragettenbewegung konnte man vorerst eine Reihe von Filmen beobachten, die eher in ORF-Amateurfilmreihe „Lumiéres Kinder“ gepasst hätten. Welche Kriterien für die Auswahl der Filme maßgebend waren, konnte nicht eruriert werden. Für das vergleichbare „1. internationale Frauenfilmseminar 1973“ in Westberlin waren es noch die Frauen „im Arbeitskampf, in der Darstellung der Medien, der Abtreibungsparagraph und die Frauenbewegung“, sowie die Sexualität, wobei die Darstellung „antisexisch“ sein mußte. Doch jene Filme, die in Innsbruck gezeigt wurden und eigentlich Möglichkeiten einer Veränderung aufzeigen hätten sollen, bestätigten nur das, was wir schon lange wissen, daß mit Filmen kaum etwas ge- und verändert werden kann. Aus den USA, aus Frankreich, Dänemark und Österreich kamen avantgardistische Streifen zur Vorführung, die das Publikum – es waren meistens an die hundert Frauen und Männer anwesend – mehr oder weniger harmlos berührten.“
Vielleicht war jemand aus der Leserschaft bei dieser Veranstaltung anwesend und kann uns ein wenig darüber berichten?
(Stadtarchiv Innsbruck, Pt-4947)