Winterliche Schwerstarbeit
Manchmal gibt es keinen Schnee, manchmal so viel, dass man ihm kaum Herr werden kann. Wie auf dem heutigen Titelbild, bei dem eine größere Anzahl von Kindern damit beschäftigt ist, Schneeberge von den Straßen auf bereitgestellte Karren zu schaufeln, auf dass die Pferdewägen und auch die Straßenbahn wieder freie Fahrt haben mögen. Die Aufnahme von Richard Müller ist auf der Rückseite mit dem Datum 1917 versehen. Während die Buben körperlich ins Schwitzen kommen, kam/kommt auf andere geistige Schwerst(?)arbeit zu. Die etwas verwirrende Beschriftung zu diesem Bild in unserer Datenbank lautet nämlich „Kinder beim Schneeräumen auf einer Straße, vermutlich nicht in Innsbruck. Es handelt sich nicht um die Maria-Theresien-Straße, Höhe Meranerstraße, weil das Gebäude der Creditanstalt schon das heutige Aussehen hatte.“ Was sagen sie dazu? Ob das Rätsel schneller gelöst ist, als eine Straße von Schnee geräumt werden kann?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-31129)
Anichstraße, Blick Ri. Klinik, im Hintergrund die Bürgerstraße
…… und nach der Bürgerstraße das zweite und dritte Haus die HTL Anichstraße (Haus Nr. 26 und 28)
Was vielleicht nur einem ehemaligen Gewerbeschüler auffällt: Beim Haupthaus Anichstraße 26 fehlt noch das vierte Geschoß. Der Erweiterungsbau Anichstraße 28 wurde ja 1910 schnell schon als viergeschoßiger Bau errichtet.
Die Logik ist bestechend: Wenn es nicht die Maria Theresienstraße ist, ist es auch nicht Innsbruck. Punktum. Frei nach der kaiserlichen Anekdote, wonach ein Untertan aus dem Volk, von seiner Majestät Franz Josef nach dem Geburtsort gefragt, mit „Aschau an der Donau“ antwortete, und Seine Majestät korrigierte: „Aschau liegt nicht an der Donau, Da irrt Er sich, Regensburg liegt an der Donau, dort bin ich schon gewesen!“.
Ansonsten, weil ich keinen zweiten Kommentar anreissen möchte, ist zu bemerken, dass eigentlich nur das modernisierte Haus, das ehemalige Schuhaus Rex mit dem durchgehenden Schaufenster, neu ist. Das Nebenhaus ist noch so schön vorhanden wie eh und je (bis auf den Laden im Parterre (war dort der Keilhosen Reinalter drin?) , und das andere Eckhaus, Anichstraße 24, hat sein Äußeres auch behalten. Dort gab es einmal das Möbelhaus Reckziegel. Aber das ist schon lange her.
1917 – und alle „wehr- (und arbeits-)-fähigen“ Männer im Krieg…. da haben die größeren Buben schon früh zupacken müssen…
Der Straßenbahn wird der Schnee recht egal gewesen sein, sie hatte ja ihre eigenen Räumfahrzeuge bzw. -vorrichtungen auf den Triebwägen. So viel Schnee konnte in der Stadt gar nicht fallen, dass das damit nicht zu bewältigen gewesen wäre. Nur Eisbildung in Weichen, Rillenschienen und auf Fahrleitungen war (und ist) problematisch.
Laut „Kreutz“ wurde ab 1913 erwogen, die eingleisige Straßenbahnstrecke durch die Anichstraße zweigleisig auszubauen, wann das umgesetzt wurde ist allerdings nicht vermerkt. Erst im Oktober 1919 wird die Anichstraße bei den zweigleisigen Strecken gelistet. Somit kann dank dieses Fotos, wenn die Datierung auf 1917 zuverlässig ist, der Zeitraum des Ausbaus auf 1913-1917 eingeengt werden.
Abseits von all dem, ich muss es einfach wieder sagen: tolles Foto!