Was wächst denn da?
Wir blicken kurz nach der Jahrhundertwende – vom 19. auf das 20. – und nach anderen wichtigen Ereignissen in eine eher finstere Szenerie. Auf den zweiten Blick erkennen wir die Basis von mehreren Säulen. [Ich weiß nicht, wie der Plural von Basis geht. Vermutlich Basen.] Dazwischen stehen eine Menge Menschen in Feierlaune. Im Hintergrund sehen wir ein Podium, auf dem ein würdiger Herr in weiß eine sicherlich wichtige Rede hält. Naja, das wird wohl kein echtes Rätsel mehr.
Nachdem das Ereignis so mehr oder weniger geklärt ist, sollten wir den weiteren Hintergrund genauer betrachten: Da gibt es eine Fabrik mit dem unvermeidlichen Schornstein. Rechts hinter der Fahnengalerie befindet sich ein mächtiger Bau. Auch sonst sind noch ein paar Gebäude zu erahnen.
Da der Ort ja in diesem „Rätsel“ nicht so schwer zu erkennen ist, so fragen wir uns, was kann uns die Fachwelt dazu noch erzählen? Ich bin sicher, da gibt es noch die ein oder andere Anekdote und Erinnerung.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signatur: Ph-30.726)
Vermutlich ensteht hier eines der Schrecksgespenste meiner Jugendzeit!
Auweh – jetzt war ich etwas daneben. Wie kann ich das wieder gut machen. Ich meinte natürlich nicht dieses wachsende Bauwerk, das Schreckgespenst wäre weiter westlich.
Allerdings hatte ich mit diesem Gebäude auch nicht immer die größte Freude. Es war ja nicht so fein, wenn man am Sonntag zur 6 Uhr Frühmesse geschickt wurde, nur dass man danach Schifahren gehen durfte!
Jedenfalls ist das Bild am 8. Oktober 1905 aufgenommen worden!
In den Innsbrucker Nachrichten findet sich am 6. Oktober 1905 ein interessanter Bericht, in welchem die Grundsteinlegung der neuen Pradler Kirche angekündigt wird. Weiters finden sich detaillierte Informationen zur jahrzehntelangen Vorgeschichte dieses Kirchenneubaus:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19051006&query=%22pradl+grundstein%22~10&ref=anno-search&seite=6
Ich empfehle auch https://www.pfarre-pradl.at/geschichte/ mit zahlreichen weiteren interessanten Artikeln, Bildern und Downloads zum Pradler Kirchenbau und zur Pfarre Pradl überhaupt (z.B. Dissertation von D.Sebastian Huber OPraem)
Interessanter Einblick in den Start eines Kirchenbaus. Zuerst einmal die Säulenfundamente (-basen). Im Nachhinein betrachtet vollkommen logisch, einen Pfeiler stellt man nicht wie einen Christbaum auf den Fußboden. Und eine bessere geometrische Schablone für den ganzen Bau gibts nicht. Aber ich mußte es erst einmal gesehen haben.
Mir liegt es noch heute schwer im Magen, dass ich ‚meine‘ Kirche als Schreckgespenst bezeichnet habe! Immerhin feierte ich hier meine Erstkommunion, wurde hier gefirmt, durfte mit der damaligen Pfarrschwester den Altar schmücken, mit dem Messner Herrn Strickner die Sakristei aufräumen und hier die Heiligenfiguren meines Onkels, des Bildhauers Franz Roilo, bewundern und sogar bis zu den Glocken kam ich hinauf. Unser musikalischer Kooperator, Herr Benedikt Sauer, nahm mich mit auf die Orgel, ich war hier wie daheim – nur als es dann einmal hieß, ich soll ministrieren, bin ich geflüchtet und nur mehr normal zur Messe gegangen (bzw. habe gehen müssen).
Nach der Messe stritten wir uns Buben immer, wer auf dem Löwen beim Eingang hinaufklettern und auf ihm reiten kann. Es wären ja eigentlich zwei gewesen, aber für uns kam nur der rechte Löwe in Frage – eh klar, nur die Männerseite! Damals gab es noch den Mittelgang durch die ganze Kirche und es herrschte strengste Geschlechtertrennung!
Wer war nun gestern das Schreckgespenst – siehe ersten Eintrag?
Als ich das Bild sah, war für mich klar: Alte „Gasfabrik“, alter Gaskessel, dahinter die Häuser der Amraserstraße, rechts etwas von der Rhombergfabrik, Fundamente, dazu noch eine Verzerrung durch das verwendete Objektiv – das kann nur der Beginn des Aufbaues des neuen großen Gaskessels sein. Warum soll das nicht groß gefeiert werden? Das Kruzifix übersah ich, vom würdigen „Herrn in Weiß“ las ich erst danach (es war der damalige Abt von Wilten).
Das Schreckgespenst war also der Gaskessel. Warum habe ich (und auch Herr Stepanek) schon an anderer Stelle kundgetan.