Was bleibt…
Dass einen die Vergangenheit umgibt, ist bei uns ja Berufsrisiko bzw. -freude. Und doch gibt es immer wieder diese Momente, wo sie einen berührt, wenn man es gerade gar nicht erwartet. Vor kurzem durchforstete ich unsere Datenbank nach irgendetwas ganz banalem, das ich schon wieder vergessen habe. Dabei stieß ich auf das oben abgebildete, etwa 20 Zentimeter große Türschild. Die Beschreibung lautet wie folgt:
„Jente Pompan und Abraham Leibl eröffneten 1907 ihr Geschäft in der Leopoldstraße 14. Dieses Werbeschild war wohl zur Anbringung an einer Türe gedacht. Die Kettchen sollten das dauernde Klappern verhindern. Der Betrieb wurde im September 1938 aus dem Gewerberegister gelöscht. Die gesamte Familie, die Eltern und ihre drei Kinder, wurden zwischen 1941 und 1945 in Vernichtungslagern umgebracht.„
Wer noch an einigen weiteren Daten zu diesem, in ihrem Verlauf und Ende typischen jüdischen Familienschicksal interessiert ist, dem sei der Eintrag zu Abraham Leibl in der Hohenems-Genealogie empfohlen.
Im Gedenken an das Novemberpogrom 1938 finden diese Woche übrigens eine Reihe von Veranstaltungen statt (siehe: erinnern.at, unten am Seitenende).
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Re-81)
Und schon höre ich wieder die Stimmen meiner beiden Großmütter!
Die Omama väterlicherseits. „gebirtig“ aus Prerau in Mähren, wegen der Arbeit nach Wien gekommen, dort den Großpapa, den Kondukteur Florian Smola geheiratet, 5 Kinder (ein 6. verstorben), sagte:
„Ich hette nicht gewüßt, wie ich die Kinder hätte gewanden sohlen- wann da nicht gewesen währe der Jud!“
Aund die Nonna aus Vezzano bei Trient, mit ihrer Dienstherrschaft nach Innsbruck übersiedelt, den Nonno aus Cembra geheiratet, 3 Kinder (und ein viertes verstorben), sagte:
„se no ghe fussa sta quel Ebreo, che se podeva pagar ogni mese ’n poc“ –
– ja, man konnte die Kleidung für die Kinder auf Kredit kaufen – und alle Monate kam ein Inkassant und holte die Ratenzahlung an der Wohnadresse ab.
Und kam einem entgegen, wenns einmal nicht klappte – wie bei meiner Großmama in Deutsch Wagram, wo Reparaturen am Hausdach nötig gewesen waren und kein Groschen da war:
„Nicht weinen, Frau! Nicht weinen! Komm ich nächsten Monat! Ich weiß – von Ihnen ich bekomme!“
Aber wie jener Kaufmann hieß, der in der Leopoldstraße 14 im Keller Äpfel gelagert hatte, die so ein Lausbub, ein „miserabliger!, mithilfe einer Zaunlatte, aus welcher noch ein langer rostiger Nagel hervorragte, durch das Kellerfenster emporfischte und verspeiste, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß er zum Buben sagte: „Da müssen Diebe in der Umgebung sein! Schau, was ich gefunden habe!“ – die Zaunlatte! – „und gell – Du paßt auf, daß die mir nicht mehr stehlen – ich schenk dir dafür einen Apfel“-
So hat es mir halt mein Onkel Konstantin erzählt (8.6.1900 – 5.6.1990) – und er hat gesagt „Der billige Mann“