Unwetter über Innsbruck
Der 9. August 1961 war ein Mittwoch. Die Wetterprognose sah für diesen Tag einen schnellen „Wechsel von Aufheiterung und stärkerer Bewölkung, örtlich Regenschauer und Gewitter“ vorher. Folglich waren die Innsbruckerinnen und Innsbrucker zunächst kaum überrascht, als sich gegen 13:30 von Westen her eine „schwarze Wetterfront“ der Stadt näherte. Mit dem was dann jedoch folgte, hatte keiner gerechnet:
„Innerhalb weniger Minuten wechselte die drückende, lautlose Stille mit einem jähen, plötzlich daherbrausenden Sturm ab, der sich kürzester Zeit zu einem Orkan entwickelte. Unheimliche Finsternis hüllte die Stadt ein. Ohne Regen brauste ein Sandsturm [!] durch die Straßen. Die Sturmböen erreichten Geschwindigkeiten von 126 Stundekilometer, wobei viele Ziegeldächer abgedeckt wurden. Innerhalb weniger Minuten riß der fürchterliche Sturm metergroße Lücken in die Hausdächer und riß auch das mehrere hundert Quadratmeter große Blechdach am neuen Schwesternheim am Innrain los, das in seiner ganzen Länge zu Boden stürzte und die Straße auf mehrere Stunden blockierte. Wenige Minuten nach den ersten Sandböen kam der Hagel. Von der Gewalt des Sturms waagrecht durch die Gegend gepeitscht, zertrümmerten – vor allem in Wilten-West – die bis zu tischtennisballgroßen Schloßen innerhalb weniger Sekunden sämtliche nordwestseitig gelegene Fenster; in manchen Straßenzügen – Innrain, Friedhofstraße, usw. – sah es aus, wie nach einem Tieffliegerangriff: Äste, zentimeterhoch losgerissenes Laub, Glasscherben – und kein einziges ganzes Fenster, so weit man auch blickte. Die Gewalt des Sturmes kann man sich vorstellen, wenn man weiß, daß in einigen Zimmern die Hagelschloßen wie Maschinengewehrkugeln pausenlos durch die Fenster prasselten und quer durch die Zimmer prallten“, so die Tiroler Nachrichten am 10. August 1961.
Bereits wenige Minuten nachdem das Unwetter losgebrochen war, wurde die Innsbrucker Berufsfeuerwehr von einer Funkstreife zum Schwesternheim am Innrain gerufen, um die Straße wieder freizuräumen. In weiterer Folge galt es für die Einsatzkräfte zahlreiche Keller auszupumpen, Fensterflügel, die abzustürzen drohten, zu sichern und Tiere aus Notlagen zu retten. Auch zwei durchnässte Tauben, die scheinbar hilflos auf der Inn-Ufermauer lagen, wurden von der Berufsfeuerwehr in Sicherheit gebracht …
Herzlichen Dank an die Kollegen vom Fachzirkel für Exekutivgeschichte für diese Bilddokumente!
(Fotos: LPD Tirol)
Vielen Dank für diese spannende Zeitreise in die Welt vor 60 Jahren.
Dieses Bildmaterial komplett abseits der Postkartenidylle ist enorm faszinierend.
Sehr interessant sind auch die Reklamen und Geschäftsschilder am Innrain, sofern sie sich entziffern lassen:
Links ein Fresko oder Sgraffito auf der Fassade.
Ein rundes Coca-Cola-Schild.
Am Fresko und im Schaufenster daneben steht Maria Mair.
Dann ein Milch-Schild.
Weiters das Kleiderhaus Mair.
Das Gasthaus Hentschel.
Eine Samenhandlung.
Im Haus dahinter irgendwas mit „Tiroler Gra……“
Genug „Stoff“ zum Rätseln also.
Im Haus Innrain 27—29 war laut Adressbuch die Firma „Tiroler Graphik“, womit der rätselhafte Schriftzug an der Fassade geklärt ist.
Beim Gasthaus Hentschel ist der Fensterstuck bereits entfernt. Um 1900 hatte dieses Haus noch eine wesentlich aufwändigere Fassade, wie in diesem Beitrag zu erkennen ist:
https://innsbruck-erinnert.at/werbekarten-der-firma-franz-j-hentschel/