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Sommer 1914 (V)

Sommer 1914 (V)

„Mag dieser Monat unserem Land Sieg u. Heil bringen! Herz Jesu sei mit und am Schlechtfeld!“ Diese Zeilen stellte Margarethe von Zepharovich dem Eintrag unter dem 1. August 1914 voran. Die Stimmung, die in Innsbruck an diesem Tag herrschte, schilderte sie wie folgt:

[…] es ist viel Volk in den Straßen, allgemeine Mobilisirung [sic], eine Menge Gerüchte verbreitet, daß der Krieg gegen Rußland erklärt, daß das hiesige 14te Corps nach Elsass-Lothringen gehe, etc., aber keine Tatsachen, nur eines weiß man, daß der Friede an einem Haar hängt. Mein Gott, hilf uns in dieser Gefahr! […] Nach der Jause waren wir in der Stadt, wo riesiges Leben herrscht, am Bahnhof sahen wir die Abreise Dankls, der Armee-Inspektor [sic] geworden ist, es war sehr feierlich, mit Militärmusik, Gott führe unsere Generäle zum Sieg, daß bald Friede komme!

TB Margarethe von Zepharovich, Eintrag unter dem 1.8.1914.
Viktor Dankl (1854-1941) wurde 1912 zum Kommandanten des XIV. Korps (Innsbruck) ernannt. Mit Kriegsbeginn übernahm er das Kommando über die k. u. k. 1. Armee. (StAI, Slg. Sommer)

Am 2. August 1914 notierte Margarethe u.a.: „Die ganze Stadt ist voll Rekruten u. mit jedem Zug kommen noch Hundert an, singend u. jubelnd. […] Mr. Comte [?] u. Karl sahen die Ankunft des neuen Divisionärs [sic], Erzherzog Josef [Ferdinand] (Toskana), die sehr begeistert gewesen sein soll. Nun hat auch Russland den Krieg an Deutschland erklärt, nach abscheulichen Doppelzüngigkeiten des Cars [sic].“

Auch in Innsbruck kursierten Anfang August die abenteuerlichsten Gerüchte. Einige davon hielt Margarethe in ihrem Tagebuch fest: „Man hört verschiedene Gerüchte, die Deutschmeister [gemeint ist das k. u. k. Infanterie-Regiment Hoch- und Deutschmeister Nr. 4] sollen durch serbische Bomben vernichtet sein, aber auch 2 serbische Regimenter, ein franz. Arzt vergiftet an der Grenze Brunnen mit Cholerabacillen, etc. Hier wieder im Postamt 3 Bomben gefunden, gelegt von 3 Serben in Nonnenkleidern. Gott sende Dein Strafgericht über diese entsetzlichen Menschen.“ (Eintrag v. 3.8.1914).

Am 4. August ging Margarethe mit ihrem Sohn Karl in die Stadt: „[W]ir sahen bei der Kaserne die vielen Rekruten exerziren [sic], es ist ein hübscher Anblick u. die Leute […] marschiren [sic] sehr stramm. […] Nun sind die Franzosen ohne Kriegserklärung in Deutschland eingefallen, sie spotten einfach jeden Völkerrechts. Österreich will nun Rußland den Krieg erklären, da ja gegen Deutschland schon gekämpft wird. Abends waren wir […] in der Stadt, immer viel Leben; u. viel Gerüchte, die man nicht alle glauben kann.“ Tags darauf notierte sie, nach einem Tag, den sie mit Schreibspielen mit ihren Kindern, Briefschreiben und einem Kinobesuch verbracht hatte: „Es ist so schrecklich zu denken, daß während wir ruhig hier sitzen, vielleicht schon Tote sind u. Verwundete auf dem Schlachtfeld stöhnen u. leiden!“

Margarethe mit ihren beiden Söhnen Karl und Alexander (genannt Zana), aufgenommen in Jerusalem, wo ihr Mann Ludwig von 1906 bis 1911 als k. u. k. Generalkonsul tätig vor. StAI, Ph-A-24590.

Nachdem sie am 6. und 7. August in ihren Aufzeichnungen nicht auf den Krieg Bezug genommen hatte (es gab viel anderes zu notieren, u. a. einen Heiratsantrag, den Margarethe von einem Engländer bekommen hatte), begann sie ihre Aufzeichnungen am 8. August mit den aktuellen Meldungen: „Heute Nachricht, daß Lüttich gefallen ist u. die Österreicher siegreich in Russisch-Polen vorgehen, wo die Bevölkerung sich ihnen anschließt. Gott sei Dank dafür! […] Nach der Jause ging ich mit Zana in den Wald bei [?] der Sillbrücke, wir setzten uns dort hin u. spielten […].“

Am 9. August 1914 fand auf „Veranlassung des Dekanats der Pfarre St. Jakob“ in Innsbruck eine große Bittprozession statt, „um vom Allmächtigen den Sieg für unsere gerechte Sache, für unsere Waffen, um ein gutes Ende dieser schweren Zeiten der Not und Gefahr gegen tückische Feinde zu erflehen“, wie es in den Innsbrucker Nachrichten hieß. Unter den TeilnehmerInnen befand sich auch Margarethe:

Nm. um 2 ging ich mit Fr. Hammerl in die Wiltener Kirche, von wo die Prozession in die Pfarrkirche ging, um das Gnadenbild Maria Hilf (gemalt von Lukas Cranach) zu holen. Wir beteten Rosenkranz unterwegs, gingen dan in die Wiltener Kirche zurück, da die Pfarrkirche so voll war, daß man nicht hinein kam. Dann kam die Prozession, die 1 12 St. dauerte, es waren vielleicht 40.000 Menschen, Frauen u. Männer, eine wunderbare Huldigung der Mutter Gottes, deren Bild mitgetragen wurde, das Hl. Bild, das schon so oft Hilfe brachte, Du wirst u. mußt auch weiterhelfen Hl Gottesmutter in dieser schweren Zeit.

TB Margarethe von Zepharovich, Eintrag 9.8.1914.

Titelbild: StAI, Ph-38021 (August 1914 – möglicherweise in Bozen aufgenommen) / Text: TB Margarethe von Zepharovich, Privatbesitz.

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