Schuld und Sühne (II.)
Nach der Verordnung ihrer Majestät erhielt der Nachrichter ein jährliches Honorar von 104 Gulden. Hinzu kamen aber diverse Zahlungen für seine einzelnen Dienste und benötige Materialien.
So sehen wir zum Beispiel für das „Ausführen des Maleficanten“, also das Führen des Verbrechers vom Ort des Gerichts zum Richtplatz zwei Gulden, oder das Begraben des Leichnams drei Gulden. Letzteres war übrigens eine Tätigkeit, die der Meister-Scharfrichter oft seinen Gehilfen überließ. Wenn der den Körper anstatt ihn zu begraben „auf das Rad flocht“, so bekam er dafür fünf Gulden. Gehen wir davon aus, dass damit gemeint war, den bereits toten Körper auf das Rad zu flechten, dann war damit die humanere Variante dieser Hinrichtung gemeint, denn ursprünglich war das Rädern folgendermaßen abgelaufen: Der Delinquent wurde mit Händen und Füßen an vier Pflöcke gebunden und Holzbretter unter seine Gliedmaßen geschoben. Anschließend brach der Scharfrichter mit einem Wagenrad, oder einem Hammer, dem Verurteilten die Knochen – mit einer durch das Gericht genau festgesetzten Anzahl an Stößen. Dann wurde die gebrochenen Arme und Beine durch die Speichen des Rades geflochten und das grausame Schauspiel damit vollendet, das Rad auf einem hohen Pfahl aufzurichten. Somit mag es vorerst zynisch erscheinen, die zuvor genannte Variante als „human“ zu bezeichnen, aber verglichen mit der, auf der sie basierte, war sie doch ein Fortschritt, wenn man es so nennen will. Bereits als die ursprüngliche Methode noch praktiziert wurde, erbarmte sich der Henker manchmal des Verurteilten und brach ihm das Genick bevor er den Rest der Prozedur vollzog. Es verhielt sich ähnlich mit anderen grausamen Strafen, wie dem Verbrennen, Vierteilen oder Pfählen. Ursprünglich allesamt an noch lebenden Verurteilten durchgeführt, ging man im Laufe der späten Neuzeit immer stärker dazu über, die Delinquenten zuvor (meist durch Enthauptung) zu töten. Was nicht bedeutet, dass die brutalere Art nicht immer noch vorkam, aber sie wurden zunehmend seltener.
In der ausführlichen Aufstellung lässt sich erahnen, wie viel zuvor über die verschiedenen Honorare gestritten wurde. Nun war genau festgelegt, wie viel der Scharfrichter bekam, wenn er einen Galgen selbst bauen musste, wieviel für die Nägel etc. Auch ein Satz für den Transport der schweren „Doppelleiter“ ist festgelegt. Die benötige man für die Hinrichtung durch den Strang, denn damals fiel der Verurteilte nicht durch eine Falltür, wie man das meist aus Filmen kennt; sondern er bestieg zusammen mit dem Henker die Doppelleiter, der ihm oben die Schlinge um den Hals legte und ihn von der Leiter stieß.