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Der Bilderblog aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Richard Steidle (VIII.)

Richard Steidle (VIII.)

Im Juni 1920 führte die Zusammenarbeit mit den bayrischen Bürgerweheren zu einem Skandal. Aus Bayern waren 455 Stück Gewehre und eine Schnellfeuerkanone samt Munition nach Innsbruck gebracht worden, von wo aus sie weiter nach Imst verfrachtet werden sollten. Als der Wagen vor dem Gasthof zum Roten Adler in der Herzog-Friedrich-Straße losfahren wollte, wurde er jedoch von der Polizei angehalten und die Waffen beschlagnahmt. Besonders brisant war die Angelegenheit, weil der Fahrer einen Transportschein bei sich hatte, der von keinem anderen als Landesrat Steidle unterzeichnet worden war. Die sozialdemokratische Presse verlangte erneut – vergeblich – ein Vorgehen gegen den eigenmächtig handelnden „Generalissimus der Heimwehr“.

Kurz darauf erschien in der Volks-Zeitung ein umfangreicher zweiteiliger Artikel, betitelt „Dr. Richard Steidle. Ein politisches Charakterbild“. Beschrieben wurde darin ein Typ von Politiker:

[Er] schleudert nicht bloß den gefüllten Unratkübel Tag um Tag gegen den politischen Gegner, [er] dichtet ihm jede Schlechtigkeit an, wittert überall Korruption, ruft die Öffentlichkeit auf, zur Mistgabel zu greifen, um den Augiasstall zu reinigen und macht, nachdem [er] einen Tag mit dem größten Lärm ausfüllt, am darauffolgenden die korruptesten Geschäfte.

Diese Spezies findet ihren typischen Vertreter in Herrn Dr. Richard Steidle.

Um diese Charakterisierung zu rechtfertigten, berichtete das Blatt über einen Fall, welchen der „Antisemitenhäuptling“, wie es Steidle zu nennen pflegte, als Rechtsanwalt übernommen hatte. Die Landesregierung hatte eine eigene „Holzwirtschaftsstelle“ eingerichtet (unter Mitwirkung Steidles), um mit den Gewinnen des Holzexports Lebensmittel anzukaufen. Privaten Firmen war allerdings daran gelegen, diesen Handel selbst zu übernehmen, daher reichte die Wiener „Holz-Handels-Aktiengesellschaft“ Klage gegen das Land ein – vertreten von Richard Steidle. War das an sich schon eine seltsame Konstellation, so kam noch hinzu, dass die besagte Aktiengesellschaft sich in jüdischem Besitz befand. Die Volks-Zeitung spottete: „Der Antisemit und Landesrat aber klagt das Land für jüdisches Geld […]. Dr. Richard Steidle, der glorreiche Führer der Heimatwehren: welch ein Mann, welch ein Charakter!“

Steidle, der bis dato immer wieder auf die Angriffe aus der sozialdemokratischen Presse geantwortet hatte, veröffentlichte am 17. Juli, eine Woche nach dem zitierten Artikel, einen Brief seines Anwalts an den Chefredakteur der Volks-Zeitung (und damaligen Innsbrucker Vizebürgermeister) Martin Rapoldi (1880–1926). Der Brief stammte vom 28. Juni und forderte Rapoldi auf, die Behauptungen, die in der Zeitung gegen Steidle erhoben worden waren, selbst direkt zu veröffentlichen, wenn er von deren Wahrheit überzeugt sei, damit Steidle ihn verklagen könne. In seinem Artikel, in welchem er den Brief veröffentlichte, kündigte Steidle nur an, dass er die Angriffe der Sozialdemokraten keiner Antwort mehr würdige, bis er nicht selbst eine Antwort auf sein Schreiben erhielt. Auf die Anschuldigung der Volks-Zeitung bezüglich der Holz-Handels-Aktiengesellschaft ging Steidle im Artikel mit keinem Wort ein – der Brief seines Rechtsanwaltes war noch vor dieser Anschuldigung geschrieben worden, er führte nur an, dass man Steidle „monarchischer Gesinnung“ verdächtigt hatte. In einem Gerichtssaal wäre das natürlich kein Beweis gewesen, aber es legt doch gewisse Schlüsse über den Wahrheitsgehalt des Berichtes nahe.

(Einheit der Heimatwehr mit Maschinengewehren, Signatur Ph-21936)

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Eine äußerst spannende Geschichte, leider wenig kommentiert, aber ich bin mir sicher, dass die Serie von vielen politisch Interessierten verfolgt wird. Danke dafür!

    1. Tja, Herr Schneiderbauer, was soll man kommentieren? Wie erschreckend sich die Muster gleichen? Nimm einen unscheinbaren Zwirnsfaden, spann ihn über den Weg, wo ein blindwütiges Huhn ein Empörungskorn gefunden hat, und alle stolpern drüber, in die Arme des großen Vereinfachers. Spot the pattern.
      Das Superschlimme ist, dass wir nur durch ein gewisses Niveau jene Prolos vom Archivblog fernhalten, die angesichts obiger Fotos – wichtigtuerische Privatleute als Militär verkleidet – einen wässrigen Mund bekämen. Auf wen aller man da doch schießen könnt! Die immer und überall nur unfähige Regierung macht sowas doch nicht. Ohne uns sind die Bürger schutzlos. Gänsehaut.

  2. Ich habe wieder nur eine vage Erinnerung an die Erzählungen meiner Mutter bezüglich dieser Zeit, wie zum Beispiel: „….aber unhoamlich war oan schon, wenn dee Heimatwehrerler wieder amal aufmarschiert sein…“
    Wen wunderts nach diesen obigen Bildern?

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