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Reservemusik

Reservemusik

Mit dieser Aufnahme reisen wir 110 Jahre zurück. Es ist ein schöner Frühlingstag, und wüssten wir es nicht besser, so würde man anhand der Aufnahme kaum vermuten, dass wir uns in der Zeit des Ersten Weltkriegs befinden. Wir sehen die sogenannte Reservemusik des 1. Tiroler Kaiserjägerregiments in der Höttinger Au. Nachdem die reguläre Regimentsmusik zu Kriegsbeginn mit dem Regiment nach Galizien abgegangen war, wurde sie noch im Herbst 1914 in Innsbruck aufgestellt. Ihren ersten öffentlichen Auftritt dürfte sie zu Allerseelen 1914 in Hall gehabt haben. Im Rahmen einer „Gedenkfeier für die gefallenen Krieger“ führte sie in der Jesuitenkirche gemeinsam mit dem Pfarrchor eine Requiem auf.

Im Frühjahr 1915 gab die Reservemusik regelmäßig Wohltätigkeitskonzerte im Hotel Maria Theresia. Einen Einblick in ihr Repertoire vermittelt die Ankündigung für das Platzkonzert am 18. April 1915 vor dem Stadttheater. Am Programm standen: „Morvay-Marsch von Katschthaler; Ouvertüre zur Oper Nabuccodonosor [sic] von Verdi; Dollar-Walzer von L. Fall; Phan­tasie aus der Oper Faust von Gounod, arrang. von Mühlberger; Berlin wackelt, Potpourri von Morena.“ Sieht man einmal von Nabucco und Faust ab, so sagen die aufgeführten Werke wohl heute kaum jemanden mehr etwas.

Die Reservemusik trat aber nicht nur in Bläserbesetzung, sondern auch als Streichorchester auf (was vor 1914 keineswegs ungewöhnlich war). So heißt es in einem Vorbericht zur „Wohltätigkeits-Akademie“, die der lokale Zweig des k. u. k. militärwissenschaftlichen und Kasino-Vereins Ende Mai 1915 organisierte: „[…] ferner wird das Streichorchester der Reservemusik des k. u. k. 1. Tiroler Kaiserjäger-Regiments, verstärkt durch Mitglieder des städt. Orchesters einige Konzertnummern unter abwech­selnder Leitung der Herren Kapellmeister K. Mühlberger und Max Köhler zum Vortrag brin­gen.“ Während mir für dieses Konzert kein Programm vorliegt, so deutet das „Wohltätigkeits-Konzert für das Rote Kreuz“, das die Reservemusik gemeinsam mit dem Hofopernsänger Hans Ellensohn im Oktober 1915 im großen Stadtsaal gab, auf ein beachtliches Niveau hin. Am Programm standen:

1. Ouvertüre Ruy Blas von F. Mendelssohn-Bartholdy. (K. u. k. Reservemusik.) 2. Arie aus der Zauberflöte von Mozart. (Dies Bildnis ist be­zaubernd schön.) 3. Max-Arie aus dem Frei­schütz von C. Maria v. Weber. (Durch die Wäl­der, durch die Auen.) 4. Arie aus der Afrikanerin von Meyerbeer. (Land so wunderbar.) 5. Ro­manze in F-Dur für Violine von L. v. Beethoven. (K. u. k. Reservemusik.) 6. Ermahnung von Elsa aus Lohengrin von Richard Wagner. (Höchstes Vertrauen.) 7. Das Steuermannsmädel aus dem Fliegenden Holländer von Richard Wagner. (Mit Gewitter und Sturm.) 8. Norwegische Rhapsodie Nr. 3 von J. G. Svendsen. (K. u. k. Reservemusik.) 9. Das Liebeslied aus der Walküre. (Winterstürme wichen dem Wonnenmond.) 10. Die Gralserzählung aus Lohengrin. (Im fernen Land.) Sämtliche Gesangsvorträge mit Orchester­begleitung.

Der Musikritiker der Innsbrucker Nachrichten fand nach diesem Konzert für die Kaiserjäger-Reservemusik und ihren Kapellmeister nur Lobesworte. Wörtlich schrieb er: „Herzliche Worte der Anerkennung müssen wir dem Herrn Kapellmeister Mühlberger und seiner wohldisziplinierten, von künstlerischem Eifer durchdrungenen Schar widmen. In zwei größeren Orchesterwerken: Ouvertüre Ruy Blas und Norwegische Rhapsodie (Svendsen) vermochte das Orchester seine einwandfreie künstlerische Voll­wertigkeit nachzuweisen. Die mathematische Exakt­heit, der jugendfrische Schwung und die Rasch­heit künstlerischen Erfassens ehren den Dirigen­ten und die Spieler. Besonders dankbar waren auch die Zuhörer dem jungen, temperamentvollen Geiger, der mit der F-Dur-Romanze einen er­heblichen Erfolg feierte. Besonders hervorheben möchte ich die unbedingte Tonreinheit, die klassische Ruhe in der Kantilene, das Fehlen jedes senti­mentalen Anfluges. Der Mann dürfte noch eine Zukunft haben. Seiner Art entsprechen am mei­sten unsere ernsten Klassiker. Damit ist viel ge­sagt und er scheint sich diese Richtlinie auch ge­wählt zu haben.“ (IN v. 18.10.1915)

(StAI)

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