Reise, Reise, Bahngeleise
Eine kleiner Ausflug nach Südtirol ist schon lange beliebt.
In diesem Fall befinden wir uns an einem Bahnsteig irgendwann zwischen 1914 und 1918.
Ein schon fast grotesk idyllisches Bild vor allem wenn man bedenkt, dass der internationale Missstand gerade beginnt, in vollem Gange ist oder sich dem Ende zuneigt.
Umstände hin oder her. Wenn man das Bild unvoreingenommen betrachtet, strahlt es nur so von Ästhetik.
Die dem kleinen Mädchen freundlich zulächelnde Dame und gleich hinter ihr die ebenfalls lächelnde jüngere Frau, mit dem selbig beschmückten Hut.
Eine in Reih und Glied aufgereihte Garde an einheitlich gekleideten Damen, welche eine uniformierte Person augenscheinlich in Empfang nehmen oder im Umkehrschluss gar befragt werden?
Die ganz große Frage ist aber nun wo das aus dem Bozener Atelier H. Pohl stammende Bild wohl aufgenommen wurde und was der Anlass war?
Verfasser: Jautz Jonathan
Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Bildsignatur Titelbild: Ph-37973
Das Foto wurde anlässlich des Besuches des Allerhöchsten Kaiserpaares am 22. April 1917 am Bozner Bahnhof aufgenommen. Von diesem Besuch existiert eine umfangreiche Bilderserie mit vielen Fotos, so z.B. in der Kriegssammlung der Nationalbibliothek. Zum Programm des Besuchs gehörten u.a. auch ein Gottesdienst in der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt und die Kaiserjäger-Ausstellung.
Es gibt sogar ein Bild, welches nur wenige Momente vor dem obigen Titelbild aufgenommen wurde, und die Mädchen beim Hofknicks vor der Kaiserin zeigt:
https://onb.digital/result/10FB97D3
Im Bahnhof Bozen gab’s zu der Zeit tatsächlich die seit 1911 mit 1200 Volt Gleichspannung betriebenen Überetscher Normalspurbahn nach Kaltern und St. Anton, dort ausgeführt als Kettenfahrleitung, also mit Tragseil und Fahrleitung, im Gegensatz zur einfachen Oberleitung der Straßenbahnen in dieser Zeit.
Aufgrund der Weintransporte war die Bahn im Volksmund auch als „Lepsbahnl“ bekannt und wurde 1971 eingestellt.
Man sieht einen Bahnhof mit Oberleitung die in dieser Zeit nur zur Mittenwaldbahn passen kann.
Wir sind also am Innsbrucker Hauptbahnhof damals Südbahnhof am Bahnsteig 1 und sehen das Thronfolgerpaar Karl und Zita die kürzlich noch im Autokonvoi durch Innsbruck fuhren und nun wohl zurück nach Wien reisen werden.
Da war ich wohl zu voreilig, der Hintergrund passt ja gar nicht zum Innsbrucker Bahnhof.
Lachen Sie mich jetzt ruhig aus!
Ich hätte – entgegen des besseren Wissens aus Wien! – das Foto auf Anhieb nämlich auf Trient verortet – weil ich nicht
wüßte, was die beiden Felsgupfe mit Schotterreiße in der Bozner Umgebung wären…
Schade, daß es keine Bahnhofsuhr gibt auf dem Bild (Lichteinfall am Hut!).
Ja, so kann man sich irren.
Der Sonnenstand entsprach an diesem 22. April einer Uhrzeit von etwa 10 Uhr vormittag. Plus minus 10 Minuten. (https://www.sunearthtools.com/dp/tools/pos_sun.php?lang=de)
Ich sags ja, Herr Hirsch!
Daß Sie das herausbekommen – wie auch immer!
Aber sicher ist diese ganze Fahrt des jungen Kaiserpaares irgendwo noch protokollarisch festgehalten – denn man wird wohl kaum den Nachtzug von Wien her genommen haben…
Was sagen Sie? Paßt diese Lichtsituation zum Bozner Bahnhof und seiner Ausrichtung (falls ihn der Benito M. nicht ganz versetzt und umgekrempelt hat…)?
Der „Viadukt“ der Standseilbahn links fällt mir erst jetzt auf.
„Jenseits der Eisackbrücke etwa 8 Minuten vom Bozner Walherplatz, erhebt sich der 200m hohe felsige Virglberg, der schönste und nächste Aussichtspunkt in der Umgebung der Stadt. Durch eine 344m lange Bahn ist er leicht zugänglich gemacht. (Fahrzeit 4 Minuten, Fahrpreis K 0.60 Rückfahrkarte K 0.80)
Das System ist dasselbe wie jenes der Mendelbahn, die Steigung jedoch stärker (bis zu 70 auf Hundert)
Oben befindet sich das Restaurant „Virglwarte“ mit Aussichtsterrasse und großer Veranda. hier werden häufig Konzerte gegeben. Man überschaut von der Virglwrte den Talkessel von Bozen-Gries und seine hochragenden Berge bis zum Rosengarten“
(Schenkers Führer und Hotelanzeiger für Südtirol, verfsst von Karl Felix Wolfff, Bozen, 1911, 1.Aufl.)
Auf dieser Postkarte aus dem Jahr 1916 sind Virglbahn und Virglwarte abgebildet: https://www.provinz.bz.it/katalog-kulturgueter/de/suche.asp?kks_priref=70000164
In der Satelliten-Anssicht von Google Maps kann man die alte Bergstation und den Aussichtspunkt Virgl ebenfalls ausmachen.
https://postimg.cc/sGDfB9F5
Die Oberleitung würde nicht unbedingt gegen Trient sprechen. Dort fährt seit 1909 die Nonstalbahn ab. Auch die war damals schon elektrisch. Ob jedoch die Oberleitung zu dieser Lokalbahn passt, kann ich leider nicht sagen, unmöglich wärs nicht.
Vielen, vielen Dank für all die geschichtlichen Einblicke rund um das Bild!
Höchst interessant.