Patrozinien in und um Innsbruck I – Hl. Laurentius (Stiftskirche Wilten)
Was tun, wenn wieder einmal kein aktuelles Thema aufkommt, das man in einen „Innsbruck erinnert“-Beitrag verwandeln könnte? Genau, man setzt sich (endlich mal) mit seinem eigenen Dissertationsthema auseinander und schwuppdiwupp – eine neue Reihe Innsbruck-historischer Beiträge wird geboren. In dieser Reihe soll es um die Patrozinien rund um uns herum gehen – warum wurden bestimmte Kirchen bestimmten Patronen zum Schutz übergeben und wann? Gibt es „Modeerscheinungen“ unter den Patrozinien?
Die Patrozinienforschung entstand im 19. Jahrhundert in der Annahme, dass Kirchenpatrozinien nicht zufällig, sondern aufgrund gewisser Strukturen an bestimmten Orten zu finden sind. Diese Annahme ist auch durchaus berechtigt, allerdings ist Vorsicht geboten: Insbesondere für frühchristliche Kirchen wurden in der Vergangenheit immer wieder Zusammenhänge rekonstruiert, die aus den Quellen nicht belegbar sind. Und natürlich juckt es uns Forscher*innen, bei bestimmten Patrozinien sofort eine frühchristliche Urform der Kirche unter der noch bestehenden anzunehmen – oft natürlich auch mit Erfolg.
Grundlegend ist jedoch zur Patrozinienforschung zu sagen, dass sie mit Vorsicht zu genießen ist und es sich um einen eher spekulativen Wissenschaftszweig handelt. Aufgrund von Untersuchungen einzelner Patrozinien allein lassen sich keine zuverlässigen historischen Schlüsse ziehen. Es braucht parallel eine Auswertung von Schrift- und archäologischen Quellen.
Das Laurentius-Patrozinium ist eines der bedeutendsten im deutschsprachigen Raum. Man nimmt zwei zeitliche „Wellen“ der Verehrung in Form von Laurentiuspatrozinien an, eine spätantike und eine im 10./11. Jahrhundert, nachdem Otto I. (HRR) am Laurentiustag des JAahres 955 einen Sieg über die Ungarn errungen hatte. Der Heilige Laurentius lebte in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, also einer Zeit, als Christenverfolgungen gerade florierten. Der Erzählung nach soll er in seiner Funktion als Erzdiakon von Rom von Kaiser Valerian aufgefordert worden sein, das örtliche Kirchenvermögen, den „Kirchenschatz“ preiszugeben. Darauf soll Laurentius das Geld an bedürftige Mitglieder der Gemeinde verteilt – und diese als wahren „Kirchenschatz“ preisgegeben haben. Sie wissen wie Märtyrergeschichten ausgehen – Laurentius wurde unter Folter getötet, sein Folterinstrument – ein Rost, über dem er quasi gegrillt wurde – zu seinem Erkennungsmerkmal. Auf unserem Bild sehen wir ihn bei der Präsentation „seines“ Kirchenschatzes auf einer Neujahrsentschuldigungskarte von 1842 Sonnenburg/Wilten, interessanterweise gibt’s keinen Rost (Zensur? Zu Gewalttätig?)
Laurentius ist heute noch Kirchenpatron des Stift Wilten (nicht der Basilika!) und in dieser Funktion vor allem deshalb interessant, weil er in einer spätantiken Schriftquelle als Patron einer Laurentius-Basilica in Rätien belegt ist. De basilicae sancti Laurenti trabe – „Über den Balken der Laurentius Basilika“ – ist in Venantius Fortunatus‘ Reisebeschreibung aus dem Jahr 565 zu lesen. Auf dieser Reise überquerte er von Norditalien herkommend über Umwege die Alpen und passierte auch Rätien – die Route über den Brenner und Veldidena ist wahrscheinlich. Ein Hinweis also auf ein Laurentius-Patrozinium der ersten Verehrungswelle in Veldidena/Wilten? Zumindest denkbar.
Eine weitere Nordtiroler Kirche mit frühchristlichem Kern ist die Laurentiuskirche in Imst. Wikipedia führt zudem eine Liste mit Laurentius-Kirchen, für Nordtirol werden Baumkirchen, Bichlbach, Stans, Tösens, Tristach, Wattens und Wörgl genannte. Allerdings scheint es sich bei dieser Auflistung nur um (ehemalige) Pfarrkirchen zu handeln, denn Imst und Wilten fehlen.
(Stadtarchiv Innsbruck, Bi-k-1-1842)
Tösens und Stans führen den Rost des hl. Laurentius auch im Gemeindewappen.