Ostern im Jahr 1900
Im Jahr 1900 wurde das Osterfest am 15. April gefeiert. Doch war dieses Datum überhaupt richtig berechnet? Ein Artikel in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. April 1900 klärte auf, warum das Datum in diesem Jahr nicht ganz einfach zu ermitteln war und warum das Osterfest am 15. und nicht am 22. April – am ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond – gefeiert wurde.
„(Ostern 1900.) Wie uns die Astronomen belehren, wird das diesjährige Osterfest eigentlich an einem falschen Sonntag gefeiert. Bekanntlich gilt für die Festsetzung des Osterfestes die Regel, derzufolge der Ostersonntag der erste Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond sein soll. Wenn letzterer selbst auf einen Sonntag fällt, so kann demnach das Osterfest erst am nächsten Sonntag gefeiert werden. Nun kann aber auch der merkwürdige Fall eintreten, dass die Zeit des ersten Frühlingsvollmondes gerade auf die Wende zwischen einem Samstag und einem Sonntag fällt, und zwar so, dass er für die eine Halbkugel der Erde noch am Samstag, und für die andere am Sonntag stattfindet. Auf diese Weise kann es eintreffen, dass nach richtiger astronomischer Berechnung in Amerika das Osterfest acht Tage früher gefeiert werden müsste als in Europa. Dieser Fall tritt nun gerade im laufenden Jahre ein. In Wien ist der Zeitpunkt des ersten Vollmondes nach Frühlingsanfang am 15. ds. um 2 Uhr 7 Minuten morgens, in Berlin um 1 Uhr 56 Minuten, in Paris um 1 Uhr 11 Minuten, in Rom um 1 Uhr 52 Minuten, in London um 1 Uhr 2 Minuten und auch noch in Lissabon 25 Minuten nach 12 Uhr, so dass ganz Europa seinen ersten Frühlingsvollmond am Morgen des 15. April hat. An der Westküste von Afrika dagegen fällt er schon vor Beginn des 15. April, und in New-York gar auf 6 Minuten vor 8 Uhr abends des 14. April. Hieraus ist die Folgerung zu ziehen, dass das Osterfest in diesem Jahre in Europa eigentlich am 22. April begangen werden müsste, während es in Westafrika und in Amerika am 15. April gefeiert werden dürfte. Um diesen astronomischen Differenzen, die zu allerlei Unzukömmlichkeiten führen mussten, auszuweichen, musste für die ganze katholische Christenheit ein einheitliches Osterfest festgesetzt werden. Die Bestimmung der Zeit des Osterfestes ist nämlich sehr wichtig, da sich alle anderen beweglichen Festtage darnach richten. Der erste Vollmond nach der Frühlingsnachtgleiche, nach dem das Osterfest bestimmt wird, kann frühestens am 21. März und spätestens am 18. April eintreten, daher kann das christliche Osterfest nie vor dem 22. März und nie nach dem 25. April gregorianischen Styls abgehalten werden. Man findet die Lage des Osterfestes für ein gegebenes gregorianisches Jahr, wenn man zunächst die „Goldene Zahl“ des betreffenden Jahres ermittelt, woraus sich die Epakte ableiten lässt. Das Datum des letzten vor dem 1. Jänner liegenden Neumondes findet man, indem man ebensoviele Tage, als die Epakte ergiebt zurückzählt. Für das Jahr 1900 ist die Epakte XXIX, der Sonntagsbuchstabe G. Die Epakte XXIX giebt als sogenannte Ostergrenze den 14. April mit dem Buchstaben F an. Der Sonntagsbuchstabe G folgt gleich den nächsten Tag, es ist also der 15. April Ostersonntag. Auch auf Grund der sogenannten Festzahl (für 1900 = 25) findet man als Ostersonntag den 15. April.“
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern schöne, erholsame Osterfeiertag!
(Stadtarchiv Innsbruck, Sommer 43-9)