Nah am Wasser gebaut
Heute, im Jahr 1955, unternehmen wir mit dem Fotografen Kurt Reuter einen Spaziergang am Inn. Über den Inn schaut die Linse auf die Pfarrkirche St. Nikolaus und die neu Höttinger Kirche. Das ist zwar nett, aber nicht genau das, was uns hier interessiert.
Schon die Gärten am Inn sind recht interessant. Auch wenn es jetzt, Ende des Winters, noch nicht so richtig grünt. Die Nähe zum regelmäßigen Hochwasser könnte es einem doch verdrießen. Es bleibt offen, ob da dann im Frühling hier gegärtnert wird. Es steht irgendwie zu viel Gerümpel herum. Vielleicht müsste man es mit anderen Fotos vergleichen. Immerhin ist die Gegend bei fast jedem Blick von der Hungerburg abgebildet.
Schon recht interessant ist die Baracke am linken Bildrand. Es scheint sich um einen einfachen, aber soliden Bau zu handeln. Aber welchem Zweck diente sie?
Noch seltener sind die Gebäude am nördlichen Innufer Gegenstand der Betrachtung. Da finden sich eine Baracke und weitere kleine Bauten. Wer kann dazu mehr berichten?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck – Slg. Kreutz)
Die Baracke am linken Bildrand ist bereits auf historischen Karten ab 1903 zu erkennen. Auf einer einer davon liest man das Wort Kajak. Wird wohl damit zu tun haben.
Das Haus am linken Innufer mit den ost- und westseitig angebrachten Quergiebeln und der etwas eigenwilligen Fensteranordnung auf der Ostseite steht heute noch und sieht recht gepflegt aus. Adresse lt. Google: Innstraße 50. Unmittelbar daneben, Innstraße 48, steht das Vereinsheim St. Nikolaus. Vielleicht war die kleine Hütte, die man hier sieht, der Vorläufer davon?
Das große alte Haus mit der Anschrift Innstraße 115, das ganz rechts am Bildrand zu sehen ist, war hier auch schon einmal Thema: https://innsbruck-erinnert.at/ein-schoenes-panorama-von-st-nikolaus/
Herr Pechlaner hat mit dem Begriff Kajak das passende Stichwort geliefert! Offenbar hieß das Gelände früher „Fischergrieß“. In den IN vom 5. März 1926, Seite 7 heißt es unter der Überschrift Steuer- und Bauangelegenheiten:
„Das Gesuch des Kajak-Verbandes um pachtweise Ueberlassung eines Grundes am Fischergrieß zur Erbauung eines Bootshauses wurde einstimmig bewilligt.“
Diese Bewilligung wurde allerdings erst im Jänner Jahres 1930 „offiziell“ bestätigt. Dazwischen geht es mit der Berichterstattung etwas hin und her, sowohl was die Termini (Verband, Verein, Kreis,…) als auch die Verlautbarungen zu den Sitzungen betrifft.
Tatsache ist eine Veröffentlichung in den Innsbrucker Nachrichten, die am 17. Jänner 1930 auf Seite 5 melden:
„Vom Kajakverband werden wir um Aufnahme nachstehender Zuschrift ersucht: Am 10. d. M. fand in der Innsbrucker Kajakstation die Vollversammlung des Oesterreichischen Kajakverbandes, Kreis Tirol, statt. In die Kreisleitung wurden gewählt: Vorsitzender Sepp Büchlmann, Schriftwart Ing. Zösmayr, Säckelwart Vinzenz Steiner, Sportwart Hermann Langer, Verkehrswart Dozent Dr. F. Plattner. Die Kreisleitung hat sich zur Aufgabe gemacht, nachdrücklichst darauf hinzuwirken, daß die einzige Innsbrucker Landestelle für Kajakfahrer beim Löwenhaus entsprechend instand gesetzt wurde, damit die Faltbootler nicht, wie bisher, auf den Resten der Mullabfuhr anlegen müssen. Es ist für eine Fremdenstadt vom Range Innsbrucks angezeigt, diesem jüngsten Sportzweig, dem alljährlich viele tausende huldigen, soweit zu fördern, daß auch für eine entsprechende Landungsstelle gesorgt werden soll. Derzeit wäre dringend notwendig die gründliche Säuberung und Planierung der in Betracht kommenden Oertlichkelt beim Löwenhaus sowie ein strenges Verbot der weiteren Müllabfuhr an dieser Stelle. Da in den letzten Jahren für die Verschönerung der Stadt vom Gemeinderat sehr viel geleistet wurde, insbesondere für die Beleuchtung der Innufer, ist es finanziell nicht ausschlaggebend, wenn man auch für diesen Zweck eine Kleinigkeit aufwendet. Schließlich erfährt auch der Fremdenverkehr eine Belebung durch diesen Sport, da während des Sommers Tausende von Fremden unsere heimischen Gewässer befahren. Die Kreisleitung wird daher an den Gemeinderat herantreten, damit noch vor Beginn der Sommerfahrten für glatte Landungsmöglichkeit und Unterkunft der Boote vorgesorgt wird. Alle dem Kajakverband neu beitretenden Mitglieder sind an die Ablegung einer Schwimm- und Fahrprüfung gebunden. Mit der Erwerbung der Mitgliedschaft ist die Unfallversicherung inbegriffen; außerdem ist es möglich, das Boot samt Zubehör gegen eine geringe Gebühr zu versichern. Um den Mitgliedern auch im Winter Gelegenheit zur Zusammenkunft zu geben, wurde eine Skiabteilung des Oe. K. V, aufgestellt, ferner wird allwöchentlich am Dienstag unter der Leitung des Schwimmwartes Kurt Tauschek besonders das Rettungsschwimmen geübt. Als erste gemeinsame Fahrten für den kommenden Sommer wurden in Aussicht genommen: 1 Mai: Anpaddeln Mötz—Innsbruck; 22. Juni: Sonnwendfahrt während der Bergfeuer; 6. Juli: Zillerfahrt, je nach Wasserstand von Hippach oder Zell am Ziller nach Rattenberg—Kufstein. Oe. K. V.-Abende finden wöchentlich Freitags in der Kajakstation „Löwenhaus“ statt, zu denen alle Freunde dieses Sportes eingeladen sind. Das Gesuch des Kajak-Verbandes um pachtweise Ueberlassung eines Grundstückes am Fischergrieß zur Erbauung eines Bootshauses wurde einstimmig bewilligt.“
Anzunehmen, dass mit dem Bau dieses Bootshauses schon früher begonnen wurde, da die Genehmigung dazu seit beinahe 4 Jahren vorlag.
Ich glaube, Herr Pechlaner, dass die von Ihnen erwähnten Karten ab 1903 Gebäude zeigen, die zum Löwenhaus oder zum Fasanengarten gehörten. Die sind auch schon im Franziszeischen Kataster zu sehen. Die Kajak-Station ist als solche erstmals in der Redlich-Karte von 1930 ausgewiesen. Ich nehme an, Sie haben den Schriftzug „Kajak“ auf dieser Karte entdeckt.
Ich glaube, die Baracke links ist keine Baracke, sondern das um +- 1930 errichtete Bootshaus. Die erkennbaren „Abteile“ sind so schmal, dass hier tatsachlich Kajaks gut hätten verstaut werden können. Die Frage ist, wie lange dieser Platz den Kajakfahrern gedient hat, wenn es 1955 dort so aussah.
Bei der Gelegenheit eine Frage an die Karten-Spezialisten, die ich schon lange einmal stellen wollte: Weiß jemand von Ihnen, ob es für die in der Franziszeischen Karte von Innsbruck 1856 eingetragenen Gebäude- und Grundstücksnummern irgendwo eine Erläuterung gibt? Ich habe zwar eine Legende gefunden, die erklärt aber nur die vorgeschriebenen Darstellungsformen für Häuser, Kirchen, Wälder, Ruinen, etc.. Die Nummern zuordnen zu können wäre interessant und oftmals sicher hilfreich.
Die Kajakstation war weiter Inn aufwärts, noch vor dem Löwenhaus, etwa gegenüber der Karl Schönherrstraße. Die Archivaufnahme ist weiter flussabwärts aufgenommen worden, ich nehme an mit dem Hans Psenner Steg im Rücken oder auf dessen Höhe. Es gibt eine weitere Aufnahme aus dieser Zeit in einem anderen Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/kein-dach-ueber-dem-kopf/ auf dem man die Baracke genau sieht. Ein weiteres Foto findet man unter Mythisches Innsbruck…
Es gibt tatsächlich 2 längliche Gebäude. Eines auf alten Karten seit 1903 oder lt. Frau Stolz bereits im Franziszeischen Kataster ersichtlich. Ein zweites schließt flußabwärts an und erstreckt sich bis kurz vor den Hans-Psenner Steeg, wie aus dem Link von Herrn Hirsch ersichtlich.
Dabei wird es sich tatsächlich um die gesuchte Baracke handeln. Das Erstgenannte kann man dahinter erahnen. Mindestens eines der Gebäude wird wohl die Kajakstation bzw. das Bootshaus sein. Vielleicht ja auch beide?
Ob Herr Kurt Reuter bewusst eine ‚Gstettn‘ für seine Aufnahme wählte oder sich hierbei wehmütig an romantischere Zeiten erinnerte können wir nicht wissen. Beides und einiges dazwischen wird heutigen Betrachtern spontan dazu einfallen.