Meinung gefragt IV
Mittlerweile wissen wir ja schon, wo wir uns in dieser Fotoserie befinden. Zweck des Albums war die Planung eines „Autosilo“, welches noch vor Casino-Zeiten am Gelände des Bismarckplatzes entstehen sollte. Der Gedanke dahinter war wohl, verparktes Gelände in der Innenstadt zu entlasten (Anm.: das war schon 1956!). Beantragt wurde das Projekt von Hugo C. Linser. Umgesetzt wurde es aber offenbar nicht, zumindest konnte ich in unseren Beständen nichts Weiteres dazu finden. Vermutlich wäre eine intensive Zeitungsrecherche der betreffenden Jahre vonnöten, um Genaueres über den Fortgang des Projekts zu erfahren. Fakt ist auf jeden Fall, dass in den Jahren 1970/1 die Planung bzw. Errichtung des heute auf der Adresse Salurner Straße 15 befindlichen Gebäudekomplexes, damals geplant als „Tourist-Center“, begann.
Diese Karte ist wohl einmalig. Interessanter als die Position des Silos ist der Fokus des Plans auf Parkplätze einerseits und Werkstätten andererseits.
Im Anschluss folgt eine Reihe an Fotos der zugeparkten Innenstadt, wohl um zu demonstrieren, dass eine Parkgarage hier Abhilfe schaffen könnte und diese Durchaus ihre Berechtigung hätte. Zugegeben, die vollgeparkte Altstadt ist schon ziemlich „schiach“, zum Glück hat sich da in der Zwischenzeit einiges getan…
(Stadtarchiv Innsbruck, Ph-A-16649)
Ein interessantes Zeitdokument aus der längstverflossenen Zeit, bevor die Tiefgaragen hierzulande auf Siegeszug waren. Moderne „Autosilos“ findet man als neugebaute Parkhäuser an manchen Bahnhöfen, wie z.B. Matrei am Brenner.
Spannend wäre zu erfahren, wieviele Autos in diesem Autosilo mit seiner eleganten Fassade anno dazumal Platz gehabt hätten……
Erstaunlich viele der damaligen Hotels gibt es inzwischen nicht mehr.
Von den Hotels auf dem Plan sind offenbar nur mehr die Häuser Sailer, Mozart bzw. nunmehr Nala, Central, Krone und Post in Betrieb.
Das Modell des Autosilos zeigt im Vordergrund als Detail sogar die kleine Tabaktrafik, welche hier früher bestanden hat. Mehr auf diesem Foto:
https://innsbruck-erinnert.at/zwischen-fuerst-und-kaiser/
Immerhin gab es den zaghaften Versuch, eine schöne Freifläche in der Stadt als solche erhalten zu wollen.
Über die Autos in der Altstadt hat sich außer den Wirten, denen schon die jetzige öde Schanigartenwüste vorgeschwebt sein muß, und den Garagenplanern, die ohne Halte- und Parkverbote aufgeschmissen sind, meiner Erinnerung nach niemand aufgeregt. Im Gegenteil, man ärgerte sich eher, daß man aus Platzmangel nicht selbst dort parken konnte.
Genau das ist ja das Problem: dass sich darüber Jahrzehnte lang niemand aufgeregt hat, weil Politik und Behörden, auch unterstützt von einer auf den Autoverkehr zugeschnitteten StVO, dass sie sich ohnehin dem Auto unterzuordnen hätten und die Stadt eben eng, laut und dreckig sein müsse, weil Autos dort nun mal hingehörten.
Das hat sich mittlerweile gründlich geändert. Die StVO wird dem angepasst, das Auto kommt in der Mobilitätsrangordnung ganz nach unten. Und der flächendeckende 30-er und die autofreie Innenstadt sind auf dem Weg. Wir sind heute doch schon weit vorangeschritten im Vergleich zu diesen als Zeitdokumente interessanten, aber aus Sicht der damals vom allgegenwärtigen Auto-Chaos Betroffenen ziemlich heftigen Bildern. Man stelle sich nur mal vor, wie es dort gestunken haben muss – keine Katalysatoren, Verbrennungsmotoren mit einem bis zu 30-mal höheren Schadstoffausstoß als heutige, auch schon inakzeptabel dreckige Verbrennungsmotoren, blauer Ölrauch und unerträglicher Krach überall und noch rücksichtslosere Fahrweise als heute, besoffen Fahren war nicht nur erlaubt, sondern auch gesellschaftlich toleriert, usw. … um dem romantisierenden Bild, das von diesen Zuständen heute von manchen gerne gezeichnet wird, mal die damalige Realität entgegenzusetzen.
Wie gut, dass Menschen wie dieser Linser (ob der was mit dem gleichnamigen, möglicherweise immer noch aktiven lokalen Autotandler zu tun hat?) mit ihren Benzin- und Blechfantasien von der Autogerechten Stadt in Innsbruck nur vergleichsweise kurze Zeit politisch durchmarschieren konnten, auch wenn in diesen ca. drei Jahrzehnten des ungebremsten Ausbaus der Strukturen für den zutiefst anti-urbanen, damals aber von vielen Entscheidungsträger:innen als Heilsbringer angesehenen Autoverkehr auch schon mehr als genug zerstört wurde, was wir jetzt mühsam und teuer wieder rückgängig machen müssen.
Tatsächlich ist das, was wir heute zum Stapeln der nunmehr langsam wieder weniger werdenden Stehzeuge haben, aber auch nicht viel besser, nur weil es unterirdisch ist. So gesehen hätte es wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht, wenn dieser „Autosilo“ realisiert worden wäre – er wäre heute eh wieder weg und durch eine doppelt so große Tiefgarage ersetzt.
Die Luftbilder aus den Siebzigern sind da auch recht eindrücklich. Damals waren nicht wenige Innehöfe und Plätze befestigt und zugeparkt (Ursulineareal, Platz vor Johanneskirche, Rathaushof). Gestört hat es auch damals, nach meinem Eindruck. Ich kann mich jedenfalls noch gut an die Filzstiftaufschrift auf fast jedem Verkehrszeichen und Lapmenmasten erinnern: „Die Autos sind einen Pest“.
Allerdings muss man dem Entwurf des Autosilos zugestehen, dass er recht piffig wirkt. In den Fünzigern war das noch alles eine Hoffnungstechnologie, wenn es auch in Wahrheit auf das Raumfahrtzeitalter wies und das Auto nur ein Krücke für die Vorstellung eines gekapselten Lebens in komplette lebensfeindlicher Umwelt (=Vakuum) war. Heute stünde der Silo wohl unter Denkmalschutz – mit Künstlerateliers oder gentrifizierten Edellofts drin.
Linser hat ja dann draußen beim heutigen West sein Autowunderland etabliert. Bei Abbruch (davor fand ich dort nie hin, war mich doch zu lebensfeindlich, dort) ware architektonische Gustostückerln zu finden, die ein wenig an das Leben der Jetsons erinnerten.