Map Stories: #Moderne Einpersonensinglehaushalte
Eine weiter schöne Darstellung der Volkszählung von 1971 bietet die obenstehende Karte, die man hier auch interaktiv erleben kann. Wo steht Österreich politisch zu dieser Zeit? Der Sozialdemokrat Bruno Kreisky ist gerade ein Jahr Bundeskanzler (einstweilen noch als Minderheitsregierung mit Duldung von SS-Obersturmührer Friedrich Peter, FPÖ), aber Wien ist weit. In Tirol regiert der ÖVP-Bauernbund seit 1945 (seit 1963 mit Eduard Wallnöfer), in Innsbruck ist der vom AAB der ÖVP nominierte Alois Lugger schon seit 1956 Bürgermeister.
Die Volkzählungsagent:innen (Zähler genannt) gehen nun an diesem 12. Mai 1971 (einem Mittwoch) durch die Straßen von Innsbruck, um die von den Haushalten und Eigentümer:innen bereits ausgefüllten Personen-, Wohnungs- und Häuserbögen einzusammeln und zu überprüfen. Eine wunderbare zeitgenössiche Broschüre mit Handlungsanleitungen für die Zähler gibt es hier zu sehen. Die letzte so durchgeführte Volkszählung war übrigens jene von 2001; Heute kommt die Info dazu großteils aus den digitalen (Ironie on) */Überwachungsinstrumentarien/* (Ironie off) des ZMR (Zentrales Melderegister) und GWR (Gebäude- und Wohnungsregister) und der Hausbesuch ist gar nicht mehr notwenig.
Zurück zur Karte: Ein Gespenst geht 1971 um in Innsbruck, es ist das Gespenst des Einpersonenhaushalts. Nicht in den neuen Blocks von O-Dorf und Reichenau, nur ein wenig in den kinderreichen Südtiroler Siedlungen Pradls, dafür aber in den Industriegebieten Rossau und Mühlau-Süd (wo fast niemand wohnt, das aber offenbar allein) und, und das ist das Relevante an der Erhebung, zunehmend in Wilten-Ost und downtown. Hier sind schon 50% der Wohnungen von nur einer Person bewohnt zu einer Zeit, als das Wort Garçonnière noch ein Zungenbrecher war. Hier werden also zunehmend größere Wohnungn allein bewohnt (und auch frühe Gastarbeiter:innen-Unterkünfte so gestaltet, dass in einem Haus jede:R ein Zimmer als Wohnung bekam).
Das Problem der Unterbelegung von Wohnraum hat uns seit den 1970er Jahren nicht mehr verlassen, heute sind, wie man beim Besuch unserer neuen Ausstellung „Suche Wohnung! – Von der Baracke zum Leerstand“ erfahren kann, rund ein Drittel der im städtischen Leerstandsmonitoring beobachteten Wohneinheiten mit zu wenig Menschen bevölkert. Dieser Fall tritt statistisch dann ein, wenn in einer Vier-Zimmer-Wohnung nur zwei Personen leben oder in einer Drei-Zimmer-Wohnung nur eine Person. Als liberaler Mensch könnte man einwenden, das geht nur die Bewohner:innen selbst was an, wie viele Leute in eine Wohnung wohnen. Der Gedanke ist zunächst verlockend, hat aber für Stadtplanung und dazugehörige politische Entscheidungsfindungen keine Relevanz. Wer Wohnraum leer stehen lässt, ist Teil der Problems, nicht der Lösung.
Unterbelegte Wohnungen 1.2.2025 | Anzahl | Prozent |
3-Raum-Wohnung mit 1 Person | 4.419 | 28,8 |
4-Raum-Wohnung mit ≤ 2 Personen | 6.179 | 40,3 |
5-Raum-Wohnung mit ≤ 3 Personen | 3.002 | 19,6 |
≥ 6 Räume und unterbelegt | 1.746 | 11,3 |
Gesamt ( N=48.666) | 15.346 | 100 |
Cover und Ausschnitte aus der Broschüre:




