(K)ein(?) Archivding der Woche
Das obige Möbelstück wurde vor etwa 1 1/2 Jahren vom Sperrmüll beim Haus Prandtauerufer 2 gerettet. Es dürfte sich wohl um einen sehr kompakten (47 x 47 x 29 cm) Aufsatz für einen Sekretär oder Spiegel handeln. Die Schrauben an den Beinen deuten darauf hin, dass er an einem größeren Möbelstück befestigt wurde. Zunächst einmal im Keller gelagert, hat die Retterin beim Reinigen auf der Unterseite der Schublade mehrere handschriftlichen Notizen gefunden und sich deshalb an uns gewandt.
Kurioserweise hat die Vorbesitzerin auf der Schubladenunterseite (und in einem Fall auf der Seite) notiert und kommentiert, wann sie das Schubladl putzte (Ergänzungen und Korrekturen zur Transkription gerne willkommen):
„Dies Schubladl habe ich von der Mari ausgeputzt, o mein Gott sie ist halt doch mein liebes Kind. Samstag 5 Uhr Abends den 17/11 1894.“
„Den 30/6 1889 ausgeputzt?
„O mein Gott u. mein Altar“[?]
„30/5. 1898 G ?“
„Dies Schubladl ausgeputzt am 17. / XII 1916 Lieber Gott lass diese furchtbare Kriegszeit vorüber gehen! Bin ganz allein – alle meine Lieben tot! Wann wird es mich treffen Anna!“
„Lass die [Buben…?] mein […?] brav bleiben o lieber Gott!“
„1/5 1964 / 1914[?]“
[Schubladenseite] „D. 15/5 6[?] M G.„


Ein Archivding? Einerseits irgendwie ja, denn ein berührendes Zeugnis aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und als Objekt natürlich kurios, so etwas haben wir noch nie gesehen.
Sie vielleicht?
Anderseits fehlen leider jegliche Informationen, wem das Stück gehörte, welche Geschichten sich hinter den Notizen verbergen ebenso wie Anhaltspunkte, wo man für Recherchen ansetzen könnte.
Oder hätten Sie Ideen?
Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, das Stück zu fotografieren und zu dokumentieren, es aber nicht zum Archivding zu machen, zumal das Stück bei der Retterin in guten Händen ist. Und was gibt es schöneres als ein Möbelstück, das wertgeschätzt und zweckmäßig genutzt wird?
Ergänzung: Die Schraube(n) am Fuß:

(Fotos: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Original: Privatbesitz)
Vielleicht heißt es Mein Gott u. mein Alter. Und statt 6 M G O M G, oh mein Gott, (wie das ständig zu hörende amerikanische „o my gawd“)
Ob man ein Möbelstück mit einer Schublade, in die man ja von oben hineinschauen will, irgendwo aufsetzt? Aber wozu sonst die Schrauben. War jedenfalls einmal ein nettes Möbel.
Und die Maße 47x47x29 können nicht stimmen. Das ist kein quadratischer Grundriß. Eher 47x29x12 BxTxH ?
Die Maße stimmen schon, halt dann, wenn man es in der Form Höhe mal Breite mal Tiefe angibt und die Tiefe der Schublade als Tiefe betrachtet. Aber von der Oberfläche aus müsste es L 47 x B 29 X H 47 heißen, stimmt. Da habe ich wohl die sicherlich genormte Form der Reihenfolge missachtet…
Im rechten Bereich der Schubladen-Unterseite lese ich „Lass die Söhne meiner Schwestern brav bleiben o lieber Gott!“
Die letzte Zeile im oberen Teil könnte heißen „O mein Gott und mein Vater“, auch wenn nicht wirklich ein „V“ erkennbar ist, war das zumindest ein gängiger Spruch. Oder Teil eines Gebetes (?)
Leider z. T. nicht gut zu lesen. Vergrößern hilft auch nicht wirklich, sodass man die besten Chancen auf korrekte Transkription wohl nur vom Original hat.
Liebe Frau Stolz – ja das mit den Söhnen hätte ich auch so gesehen, war mir aber nicht 100% sicher. Und stimmt, Alter statt Altar wäre eine Möglichkeit.
Das ist ein typischer Eckretär. Den stellte man immer in irgendeiner Ecke ab, damit er nicht umfällt, klar, hatte ja nur zwei Beine. Ausgestattet waren diese Dinger zumeist – wie auch hier gut zu sehen – mit einer Ziehschublade, klar, zum Herausnehmen musste man ziehen, zum wieder Hineintun schieben. Diese Ziehschublade war auch sehr gut geeignet, um auf der Unterseite die sogenannten Unterbodenmemoiren zu verewigen, wie auch der Beitrag sehr treffend zeigt. Im Volksmund hießen diese Eckretäre auch sehr gerne Draufstelltischerln, weil man auch was draufstellen konnte, z.B. Sammlungen kleiner Katzen oder Muscheln ausm Urlaub oder auch nur einen Kaktus Kittekaktus.
Also ein absolutes Allraundmöbelstück, Tschapoh, Herr Bürgschwentner !
Danke für die schönen Ausführungen, bitte führen sie mir aber noch aus, was die Schrauberln in der Ecke machen. Das eine Bein hätte eine and – wenn das Schräuferl in die andere Richtung ginge, das andere Bein hingegen, nun ja…
Die Schrauberl gehören gar nicht hierher. Die haben ganz, ganz garstige Kinder dort angebracht, damit man sich die Füß aufreisst, wenn man dem Ding zu nahe kommt. Und dann hams auch noch glacht, dia Rüffel. „Pfui, böse, böse Buben, böse !“ (Mädchen traue ich sowas Garstiges gar nicht zu).
Das waren aber nette Kinder, dass sie die Spitzen der Schrauben vorab in sicher mühevoller Arbeit abgefeilt haben.
Vage hat mich das Objekt an das Nachkästchen (auch wenn das Verwendungstechnisch schon widerlegt ist),
das bei Doderer im Grenzwald, den Wasserfällen von Slunji und in den Dämonen auftaucht.
Vielleicht ein Wurmloch, dass alles mit allem verbindet 😉
Das Untersatzl wäre interessant gewesen. Mit den gesicherten Maßen wäre das sonst ein Tischl für Zwerge. Die Schrauben dienten sicher der Befestigung an einem verschwundenen Möbel, welches auch ein erhöhendes Gestell sein hätte können. Vielleicht war es auch nur eine ein kopfstehendes „T“ bildende Stütze parallel zum Schubladenzug, dann fällt das Ding nicht immer um. Gibt’s eventuell Spuren des Anschlußholzes? Der direkte Anschluß waren wohl Bretter oder Kanthölzer, so schmal, daß man die Schrauben abzwicken mußte, damit sie nicht aus der Stütze herausschauen. Vermutlich nicht von einem Tischler gemacht. Vermutlich 🙂 .