Kaiserlicher Besuch in schweren Zeiten
Am 18. Jänner 1917 war Zita (1892-1989), die letzte Kaiserin von Österreich, in Innsbruck. Auf unserem Bild sehen wir die Kaisergattin bei ihrem Besuch im Reservespital VII (Müllerschule), sie verlässt gerade dunkel verschleiert das noch heute im Besitz der Stadt befindliche Gebäude und wird von zwei Männern in Empfang genommen.
Wir befinden uns am Tag unseres Fotos mitten im Ersten Weltkrieg, so berichtete etwa der christlich-soziale Allgemeine Tiroler Anzeiger vom kaiserlichen Besuch auf der Titelseite zusammen mit dem aktuellen Geschehen auf dem Kriegsschauplatz in einer gemeinsamen Überschrift. Es war der erste Besuch von Zita als Kaiserin in der Tiroler Landeshauptstadt und erst ihr zweiter in Innsbruck überhaupt. Insbesondere die patriotischen Blätter berichteten darüber überschwänglich: „das Tiroler Volk [erbietet] seinen freudigen, ehrfürchtigen Willkommensgruß – in gleicher, unveränderter Weise wie damals [d.h. bei ihrem ersten Besuch 1915]. Und frohen Herzens erneuert es sein feierliches Gelöbnis unwandelbarer Treue. Möge unserer jungen Herrscherin der Aufenthalt in unserer Stadt, den ein frohes Wiedersehen krönen soll, Glück und Freude bringen!“ (Innsbrucker Nachrichten, 18.01.1917, S.4)
Bei ihrem Besuch in der Tiroler Landeshauptstadt suchte Zita gleich am Tag ihrer Ankunft viele verschiedene Spitäler und Heilanstalten auf, nachdem sie zuerst vom Bahnhof aus nach Ankunft ihres Sonderzuges mit ihrem Gefolge in die Hofburg gefahren war. In der Müllerstraße, wo unser Foto aufgenommen wurde, blieb sie laut dem Pressebericht zwei Stunden, kümmerte sich intensiv um die Kranken und Verwundeten, besuchte jedes Patientenzimmer, ließ sich von Ärzten durch die Einrichtung führen und verteilte außerdem kleine Geschenke an die kriegsversehrten Soldaten. „Auch hier zeigte die hohe Frau mit den kranken und verwundeten Soldaten jene innige Teilnahme und Fürsorge für die Verteidiger des Vaterlandes und ihre Familien, die ihre wahre Herzensgüte offenbart“ (Innsbrucker Nachrichten, 19.01.1917, S. 4).
Das Besuchsprogramm kann vor dem Hintergrund des immer entbehrungsreicher werdenden Ersten Weltkriegs in zweifacher Hinsicht als Inszenierung gelesen werden. Einerseits wirbt er für das weibliche Rollenverständnis, dass Frauen zwar nicht an der Front kämpfen, aber dafür an der sogenannten „Heimatfront“, unter anderem in der Fürsorge für Verwundete und Kranke, ihren „Kriegsdienst“ leisten konnten (und sollten). Und andererseits suggeriert die Berichterstattung den Eindruck, dass sich das Herrscherpaar um jeden einzelnen Mann sorgen würde, was Loyalität und Durchhaltewillen fördern sollte.
Am Abend fuhr dann übrigens auch noch Zitas Mann, Kaiser Karl, inkognito in Innsbruck ein, sein Besuch wurde am nächsten Tag öffentlich gemacht und sodann (erheblich pompöser als der seiner Frau am Vortag) inszeniert. Ein Foto der beiden in Innsbruck gibt es bereits hier auf unserem Blog.
Das obige Foto hat übrigens 2016/17 – nachdem es zuvor im Innsbruck Informiert abgedruckt worden war – Lehrer:innnen und Schüler:innen der Mittelschule Müllerstraße zu vielfältiger kreativer Auseinandersetzung inspiriert, unter anderem zu einem Film.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-31338)
Elias Lanzinger
So wie es ausschaut, hatten Lehrer:innen und Schüler:innen jedenfalls a mords Hetz dabei!