Innsbruck im Winter III
„Möge der Eisgott mit den jungen Leuten gnädig sein„, schickte der 29-jährige Anton Renk vor 125 Jahren ein Stoßgebet in den Himmel. Er solle nur ja für gute Eislaufflächen sorgen, „diese, nächst dem Balle, einzige Freistätte eines gemüthlichen Verkehrs der Geschlechter, welche unsere steifzopfige Innsbrucker Spießersitte bietet„.
Renk outet sich dabei nicht gerade als Fan der Ballsaison:
„Der Ball, dessen Herrschaft nun bald beginnt, ist bei uns durchaus nicht gemüthlich; die steife Sitte erzeugt Ballgespräche schlimmster Art, wie: „Mein Fräulein, sind Sie schon einmal in Demuth erstorben.“ und unsere jungen Männer sind zumeist sehr fad, bilden eine kritische Herreninsel und bevorzugen die Rauch- und Trinkecken, während eine Menge sehnsüchtiger Mädchengedanken unerfüllt in die Luft verpufft.“
In Anlehnung an Johann Gottfried Seumes geflügeltes Wort nimmt er alsdann mit spitzer Feder zwei weitere männliche Freizeitbeschäftigungen aufs Korn:
„Die guten Menschen, böse haben bekanntlich keine Lieder, singen in allen möglichen Vereinen herum, während die bösen im Wirthshaus sitzen und die politische Lage durch ihr weises Herumdoctern zu einem noch scheußlicheren Ungethüm gestalten, als sie ohnedies schon ist.“
An den Stammtischreden hat sich in einem und einem viertel Jahrhundert offenbar wenig geändert…
Die 1899 ins Leben gerufenen „Reise- und Fremden-Zeitung für Tirol und Vorarlberg“, in deren Renks Text zu finden ist, erschien übrigens 15 Jahre lang bei A. Koppelstätter in der Müllerstraße 2. Dem ursprünglichen Untertitel nach verstand sie sich als „Organ für die Hebung des Fremden-Verkehrs“ unter anderem mit einschlägigen Texten zur Schönheit des Landes, Analysen des erfolgreichen Schweizer Tourismusvorbilds und zahlreichen geschäftlichen Anzeigen. Der Fokus öffnete sich aber geografisch und inhaltlich, was sich sowohl im 1903 abgeänderten Titel „Österreichische Alpenpost“ als auch im letzten der (mehrmals geänderten) Untertitel zeigt, der sie als „Illustrierte Familienzeitschrift“ ausweist. Eine knappe Notiz weit hinten in der Dezemberausgabe 1913 verkündete schließlich den Leserinnen und Lesern, dass dies die allerletzte Ausgabe sein würde:
Bild und Zitate aus Anton Renk: „Innsbruck im Winter“, in: Reise- und Fremden-Zeitung für Tirol und Vorarlberg, 2. Jg, Nr. 2 (Februar 1900), S. 1-2