Ich kenn mich nicht aus
Mir persönlich ist dieser Brauch ein Rätsel. Das mag vielleicht daran liegen, dass dieser in meiner Heimatgemeinde Kirchbichl nicht praktiziert wird. Obgleich ich nun schon einige Jahre in Innsbruck lebe, jedes Jahr wieder wundere ich mich, was es mit diesen komischen Gestalten auf sich hat. Die Rede ist von dem nördlich von Innsbruck üblichen Fasnachtsbrauch des Mullen oder Matschgern. Allein bei den Begrifflichkeiten sträuben sich meine Gehirnwindungen. Und dann gäbe es ja auch noch diesen Imster Schemenlauf…
Gibt es denn bei dieser Tradition überhaupt einen einheitlichen Konsens, worum es geht und woher sie stammt? Bitte klären Sie mich auf, denn bisweilen konnte mir niemand eine wirklich gute Erklärung liefern. Zwar habe ich hier einen interessante Beitrag dazu gefunden und die offizielle UNESCO-Beschreibung, jedoch bleibt es dabei: Ich verstehe nur Bahnhof.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-5520, Ph-5518, Ph-5519)
Oha, Herr Rettenbacher! Mit diesen Ansichten würde ich Ihnen raten, sich nicht ins Oberland zu wagen! Als in einer der Hochburgen der Fasnacht Ansässiger ehemaliger Innsbrucker weiß ich, wovon ich rede! Aber bei Bedarf könnte ich Ihnen gerne Nachhilfeunterricht erteilen!
Lieber Herr Roilo,
auf Ihr Angebot werde ich bei Zeiten gerne zurückgreifen. Ich denke jedoch, dass ich diese Saison noch auslassen werde 🙂
Wunderbare Bilder, bei denen man den Zauber des Fastnachtslaufens genießen kann.
Herr Roilo hat bestimmt vollkommen recht! Manche Sätze dieses Blogbeitrags würden in den Hochburgen des Fastnachtslaufen wohl als pure Blasphemie gelten……
Vielleicht findet sich ja in den Zeitungsarchiven ein Artikel, welcher die reiche Geschichte dieses traditionsträchtigen Brauchtums anschaulich erläutert.
Auf dem Titelfoto sieht man möglicherweise einen Paar Laggeroller und Laggescheller aus dem Imster Schemenlaufen?
2001 wurde in Imst mit dem Haus der Fasnacht ein Fasnachtsmuseum eröffnet. Vielleicht liest man dort diesen Beitrag und kann die Fragen von Herrn Rettenbacher erklären.
Der wortgewaltige Prediger Abraham a Santa Clara schreibt 1683 laut der Überlieferung über das Imster Schemenlaufen:
„Es ist an verschiedenen Orten, auch hier, der Brauch, dass Bürger und andere gemeine Leute zur dummen und wütigen Faßnachtzeit auf einen Tag ein Schemenlaufen belieben. Nun, es mag ihnen vergonnt werden, weil die Vornehmen jahraus jahrein alla Maschera laufen und sich betrügen und mit verlogenen Gesichtern, da man nicht weiß, ob nicht hinter einem alten Mutterl in der schimpflichen Barocka ein Teufel oder hinter dem Narrenbart ein grimmiger Herodes steckt. Aber das Schemenlaufen soll nicht ein Schelmenlaufen seyn, ansonst in den Kotter mit euch, ihr Tabacksbrüder und Weinzapfen!“
… nicht zu vergessen das Telfer Schleicherlaufen, das alle 5 Jahre stattfindet.
1955 waren die Figuren des Imster Schemenlaufens sogar Teil des spannenden Science-Fiction-Films „The Gamma People“, welcher zum Teil im Oberland gedreht wurde. Den Trailer und verschiedene Szenen kann man auf Youtube anschauen.
Lieber Herr Rettenbacher,
noch nie „angemullt“ worden?
Sie sind in bester Gesellschaft. Ich glaub nicht, daß außer ein paar Volkskundlern, die auch nur das nachbeten, was sie als Studenten im Hörsaal mitgeschrieben haben, kein Mensch Gedanken um das wieso und warum und das wieso so und warum so macht, es weiß es keiner mehr.
Die Hauptsache dürfte für die Maschgerer (die Matschgerer wissen ja nicht einmal mehr daß der Matsch auf der Straße und nicht im Gesicht seinen Platz hat) das wohlige Egogefühl der erreichten Hierarchiesprosse der Maschgerer Hackordnung sein, das Planen, die Hetz unter dem gnädigen Mantel der Verkleidung und außerdem gelten die Begründungen „immer schon“ „sowieso“ „Vätersitte“ sowie das Gefühl, etwas uuunheimlich Wichtiges und gleichzeitig unendlich Geheimnisvolles zu tun. Wegen dieser abstrusen Kindereien sind auch keine der logisch denkenden Frauen dabei.
Wenn man damit den Winter vertreiben könnte, wie uns (vermutlich holländisch-sudanesische) Volkskundler einreden wollen, wären die Touristiker schon längst beim Höchstgericht vorstellig geworden.
Außerdem….moment, ich muß schnell nachsehen, jemand hat eine Scheibe eingeworfen, irgendwas hat geklirrt. Huch, da rauchts!
Lieber Herr Hirsch,
ich sehe schon, wir kreisen bei diesem Thema in denselben Sphären 🙂
Die Innsbrucker Nachrichten von 1884 berichten einige erhellende Infos über das Imster Schemenlaufen als Volksfest und Volksunterhaltung, welches der einheimischen Bevölkerung demnach „angeboren“ sei:
„Kanm irgendwo dürften wir
das Schemenlaufen in der Weise und in dem Umfange finden, wie in Imst,
wo die Aufführung desselben der Bevölkerung sozusagen angeboren ist. Ein
beliebiger Werktag wird zu einem Feiertage gemacht; alle Arbeit ruht, alles
betheiligt sich, direct oder durch Zuschauen, wofür man ja nichts zu be-
zahlen braucht, an dem Schemenlaufen. Dasselbe beginnt vormittags mit
einem sogenannten „Figatter“. Eine Abtheilung Masken zu Fuß und zu
Pferd, schön gekleidet, der eine dieses Possierliche, der andere jenes Wunder-
liche vorstellend, ziehen unter eigener Musikbegleitung durch den Markt, im
heitersten Witz das „Schemenlaufen“ ankündigend. Um 11 Uhr circa be-
ginnt das eigentliche Fest. Sämmtliche Masken, deren Zahl meist sehr groß
ist, ziehen in ihren Costümen in den Obermarkt, wo die Versammlung ist,
die einen paarweise, die andern gruppenweise, alle schön und elegant und in
den allerheitersten Darstellungen. Allerorts stehen Zuschauer und können
des Ergötzens und des Sehens nicht müde werden. Nach 12 Uhr beginnt
der Abmarsch, und nun geht die „Fastnacht“ los. Der ganze Maskenzug
zieht durch den Markt, an mehreren freien Plätzen längeren Aufenthalt
haltend, überall jeder Einzelne und alle die Gruppen und Compagnien
in heiterster Weise das Ihrige aufführend. Da sehen wir „Spritzer“,
„Sackner“, „Türken“, „Majen“, „Scheller“ und „Roller“ in langen Reihen
und in den prachtvollsten Aufzügen, dort eine „Hexenbande“, hier eine „Sänger-
bande“ um eine „Labare“ geschart, in munterer Weise vorgefallene heitere
Scenen schildernd, „Heiratsvermittler“, „Vogelträger“ „Indianer“, „Chinesen“,
„Mohren“, „Eskimos“ etc., kurz alles Mögliche ist vertreten. Aber noch
viel Großartigeres bekommen wir zu sehen, denn da gibt es wieder größere
Maskengesellschaften, welche nach großartigen Vorbereitungen die verschieden-
sten Scenen und Erscheinungen darzustellen und auszuführen sich zur Aufgabe
gemacht haben. Wir sahen in früherer Zeit schon mächtige Dampfschiffe mit
voller Bemannung, blühende königliche Gärten mit ganzem Hofstaat darin,“
Friedrich mit der leeren Tasche, Triumphzug des Bachus und Gam-
brinus u. s. w. Doch, wer glauben würde, durch das Angeführte eine rich-
tige Vorstellung, ein klares Bild dieses Volksfestes sich machen zu können,
der würde sich irren; denn hiermit ist nur ein schwacher Zug, eine Andeu-
tung dessen gemacht, was sich in Wirklichkeit erfüllt, und das „Schemen-
laufen“ der Imster dem damit nicht Betrauten oberflächlich erläutert. Von
dem Leben und Treiben, von der Hetze und Unterhaltung, dem Komischen
und Possierlichen vermag nur derjenige einen rechten Begriff zu erlangen,
der die Sache selbst miterlebt. Namentlich heuer vernehmen wir von be-
sonderen Vorkehrungen und verspricht das „Schemenlaufen“ einen frohen
Tag zu bringen; da die Oberinnthaler Bahn mit ihrer Schnelligkeit und
Billigkeit zur Verfügung steht, so erfordert es ja wenig, sich diesen Genuss
zu verschaffen, und jeder hat obendrein noch eine interessante Partie gemacht.
Sicherlich wird der Tag der Abhaltung des „Schemenlaufens“ allerorten rechtzeitig bekannt gegeben werden.“
Sehr geehrter Herr Rettenbacher,
in ihrem agressiven Kommentar schreiben Sie, nördlich von Innsbruck. Ich darf Sie aufklären, daß nördlich von Innsbruck die Nordkette liegt. Wahrscheinlich meinten Sie das Fastnachtstreiben westlich von Innsbruck.
Sehr geehrter Herr Hauser,
es stimmt schon, dass nördlich von Innsbruck die Nordkette steht, aber am Fuße derselben liegen bekanntlich die Martha-Dörfer. Und in diesen Dörfern wird das Muller- Maschgerer- Matschgererlaufen traditionell durchgeführt, z. T. seit Mitte des 17. Jahrhunderts.
Danke Frau Stolz! Mir ist da spontan keine Antwort eingefallen und ich denke, dass auch Hötting, St. Nikolaus und Mühlau eine Gewisse Tradition in Sachen Fasnacht vorweisen können. Herr Rettenbacher hat möglicherweise die Eingemeindung dieser Stadtteile einfach übersehen 😉
Liebe Frau Stolz,
da sind Sie mir mit der Antwort zuvor gekommen. Genau so sehe ich das auch.
Das führt mich gleich zu Ihnen Herr Ritzenfeld,
die Eingemeindung ist mir sehr wohl bekannt, nur war mein Hintergedanke dieser, dass der Brauch ja vor die Zeit der Eingemeindung zurück reicht. Jetzt könnten wir darüber diskutieren welche Angabe richtiger ist, aber ich denke, dass wir ein Pulverfass pro Beitrag reicht 😉
Ich glaube sogar, dass einige Bräuche älter sind als die erwähnten Gemeinden. Mich hat einfach die Emotionalität zu diesem Thema zum Schmunzeln gebracht und ich wollte sicher niemanden beleidigen.
Und wenn in meiner neuen Heimat (1999 vom Saggen nach Hötting ausgewandert), leider viel zu selten, Aper-Schnalzer den Winter vertreiben, freue ich mich regelmäßig. Heuer habe ich noch keinen gehört 🙁
Wenn man das Aper Schnalzen zu den die Bezeichnung ist im Gegensatz zu den rückwärts eingesprungenen Spiegelspritzsacknern selbsterklärend – Fasnachtsbräuchen dazu zählt, sind auch die Höttinger dabei. Solange sie in ihrer Gemeinde überhaupt noch soviel unverbaute Wiese finden können, und kein Spaßverderber die Polizei wegen Ruhestörung herbeiruft.
Der Scheller auf dem 2. Bild trägt in der rechten Hand einen Stab, auf dem ein Apfel steckt. Dieser Apfel wird als Zeichen der Anerkennung und Verehrung jener Frau überreicht, die seinen Aufputz mit viel Handarbeit, Zeitaufwand und Liebe zum Detail gestaltet hat. Der Apfel wird dann durch eine Breze ersetzt.
Auf dem 3. Bild sieht man zwei Spritzer mit ihren charakteristischen Wasserspritzen.
Schön, dass diese uralten Traditionen nach Ahnenbrauch noch immer von den Brauchtumsvereinen gepflegt werden und im Gemeinschaftsleben tief verankert sind.
Danke Herr Auer, für Ihre positiven Kommentare – zu anderen, inklusive der Einleitung, wollte ich etwas schreiben, aber ich schweige lieber!! Nur etwas vielleicht doch: Ich halte diesen Beitrag in einem Blog, der „innsbruck-erinnert“ heißt, für überflüssig – zumindest was die Ausweitung auf die Imster Fasnacht betrifft!
Eigentlich wollte ich zum Thema Fasnacht keinen Kommentar mehr abgeben, aber weil heute für Imst ein besonderer Tag wäre, ist mir dieser Beitrag wieder eingefallen. Ich weiß nicht ob Sie, Herr Rettenbacher, etwas davon in den Medien der letzten Tage gehört haben, wahrscheinlich eh nicht, da für einen Unterlandler (und meist auch Innsbrucker) Tirol an der Melach aufhört!. Außerdem fällt mir gerade ein Spruch einer meiner Tanten ein: „Aus dem Oberland kommt nichts Guats, außer den Erdäpfeln“!
In Imst wäre heute nämlich ein Festtag! Die „Buabefasnacht“, die kleine Fasnacht, würde heute stattfinden, ja, wenn wir in einer normalen Zeit Leben würden!!
Mir liegt ja immer noch Ihr Text in diesem Beitrag inklusive zweier Kommentare im Magen! Eigentlich zum Vergessen. Aber wenn Sie schon mit dem Mullen oder Matschgern nichts anfangen können, dann hätten Sie wenigstens die Fasnacht im Oberland in Ruhe lassen sollen oder sich vorher entsprechend informieren müssen – wie es sich für einen Historiker gehört. Ich könnte Ihnen und auch Herrn Hirsch (nit bös sein!) dafür http://www.fasnacht.at/de empfehlen. Auch die anderen großen Oberländer Fasnachten, das Nassereither Schellerlaufen oder das Telfer Schleicherlaufen haben ihre entsprechenden Webauftritte. Vielleicht hilft Ihnen all dies ein bissl weiter! Vielleicht denken Sie dann anders über „die komischen Gestalten“ und Ihre Gehirnwindungen sträubten sich weniger und Sie würden nicht nur „Bahnhof“ verstehen.
Wenn Ihnen all das noch zu wenig Klärendes gebracht hat, dann bringt nur ein persönliches Dabeisein und gemeinsames Miterleben etwas. Meine Einladung bleibt aufrecht, irgendwann wird ja dieses großartige Ereignis, zu dem die ganzen Imster stehen, auch die Frauen, und nicht nur einige Volkskundler, doch wieder stattfinden. Vielleicht ist dann auch Herr Hirsch mit von der Partie, und auch Herrn Auer, dem ich nochmals danke, würde ich dazu bitten!
Keine Sorge, Herr Roilo, so wie ich nicht angenommen habe, Sie mit meinem vielleicht allzu gut aufgelegten Geschreibsel zu ärgern (sonst hätt ichs unterlassen), bin ich ob der Antwort auch nicht böse.
Nur, wenn der Ernst an einer Sache zu tief wird und schon Flocken zu bilden anfängt, dann reizt es mich (und anscheinend Herrn Rettenbacher genau so), einmal einwenig den Arlecchino zu spielen, oder, wenn wir bei unseren Fasnachtsarchetypen bleiben, den Bajazzel, der mit seinen abgehobenen Tollereien über den Dächern in Imst oder Telfs oder sonstwo seinen festen Platz hat. Weil Sinn außer der Schaustellerei macht das Ganze schon längst nimmer. Es wird sicher Frühling, ob man den Bären bezwingt oder nicht, und kein böser Geist erschrickt zu Tode, wenn ihn Nicht-Existenten ein Spiegeltuxer mit einem Sonnenstrahl blendet. Man tuts halt, weil man es immer schon getan hat. Und weil man sich ganz närrisch drauf freut. Und Freudentöter bin ich keiner, anschauen werd ich mirs aber nie, schon wegen der Menschenmassen.
Naja, Herr Hirsch – ich bin der Ansicht, dass man einen richtigen Impfgegner auch nicht umstimmen kann. Also, was solls? Meine ‚Impflotterie‘ = Einladung ist damit ebenfalls abgeblasen!
Lieber Herr Roilo,
mir ging es mit diesem Beitrag vor allem darum, den Blick eines Außenstehenden zu diesem Brauch zu präsentieren. Freilich habe ich mir bereits gedacht, dass es dadurch zu heißen Diskussionen kommen wird – das finde ich grundsätzlich auch völlig in Ordnung und soll/darf auch geschehen. Es sollte aber keinesfalls als bösartig empfunden werden! 🙂
Da ich mich ja gerne informiere und mein Wissen bereichere, werde ich mir Ihre Einladung im Hinterkopf behalten und, wenn es die Umstände zulassen, nächstes Jahr hoffentlich darauf zurückkommen.
Also ich würde bei dem ersten Bild auf das Imster Schemenlaufen tippen ……………..
Wir hatten darüber eine Dokumentation gedreht und die Figuren kommen mir bekannt vor.