Heikler Anflug aus luftigen Höhen
Erst nach der Installierung eines für Innsbruck speziell geeigneten Anflugverfahrens setzte ab 1978 wieder ein bis heute anhaltender Aufschwung im Innsbrucker Fluggeschehen ein. Wie Piloten berichten, gehört der Anflug auf die Alpenstadt – auf Grund der ständig wechselnden Wind- und Verkehrssituation – auch heute noch zu den schwersten in Europa. Viel Platz bleibt hier nicht, da die Stadt von bis zu 2600 m hohen Bergen – Patscherkofel und Nordkette – begrenzt wird. Besonderes Augenmerk müssen die Piloten auf ihre Sink- und Kurvgeschwindigkeiten legen. Erschwerend kommt der in alpinen Lagen häufige Föhnwind hinzu. Bevor man in Innsbruck überhaupt starten oder landen darf, muss man selbst als erfahrene/r Pilot/in ein anspruchsvolles Extratraining absolvieren. Es bietet sich beim Anflug aber auch ein beeindruckendes Alpenpanorama, welches die Strapazen wieder wettmachen sollte.
Unser Titelfoto stammt aus dem Jahres 1978 und zeigt zwei Flugzeuge des Typs Boing 737 der dänischen Fluggesellschaft Maersk Air.
Autor: Sebastian Eritscher
Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sammlung Walter Kreutz, Ph-32156
Also ein derartiger Anflug auf Leben und Tod ist die Landung in Innsbruck jetzt doch nicht.
Als die beiden Boeing 737-200 der Maersk hier landeten, gab es nur das klassische erste Anflugverfahren. Diese machte sich die meteorologisch bekannte Laune des Innsbrucker Wetters zu Nutze, daß bei vielen Schlechtwetterlagen zwar die Berge wolkenverhangen, im Inntal selbst aber unter einer relativ hohen Wolkendecke ausreichende Sicht für eine Landung besteht. Man stellte im Gnadenwald in der Nähe der Thierburg zwei Localizer auf, die eine präzise Flugachse Richtung Sellrain bzw. Richtung Rattenberg legen. Der Pilot kann vom Kühtai kommend mit dieser Hilfe hindernisfrei bis zu einer gewissen Sicherheitshöhe sinken und bei freier Sicht über Absam eine Kurve drehen und in Innsbruck nach Sicht landen. Konnte die Wolkendecke nicht durchstoßen werden, fliegt der Pilot dem zweiten Localizer entlang wieder hindernisfrei im Steigflug aus dem Gipfelbereich Richtung Rattenberg. Zusätzlich gibt es ein Entfernungsmeßgerät, welches dem Piloten die Position auf dem Leitstrahl anzeigt.
Diese Prozedur ist es, die von den Piloten eine Spezialausbildung verlangt. Insbesonders die unerläßlich genaue Einhaltung der vorgeschriebenen Höhen und die Kenntnis der Geographie des Inntals zwischen Absam und Flughafen macht diese nötig.
Früher trainierten die Piloten den Anflug mit einem „richtigen“ Flugzeug, natürlich bei besten Sichtbedingungen, später waren dann die Flugsimulatoren realitätsnah genug, um die Besatzungen „zu Hause“ trainieren zu können.
Das Anflugverfahren gibt es in modernisierter Form heute noch, es wird aber kaum mehr benutzt. Dafür gibt es Anflugverfahren aus Richtung Osten, deren neuere dank Satellitennavigation bei unzureichender Sicht ein Durchstarten Richtung Telfs ermöglichen, wobei der kritische Punkt auf Höhe des Einkaufszentrums West liegt. Die ältere Variante hatte wesentlich höhere Wetterminima mit Entscheidungspunkten über der Stadt, gefolgt von einer Linkskurve zurück auf den Leitstrahl nach Rattenberg. Umgekehrt kann man heute dank GPS bei nicht allzu schlechtem Wetter direkt aus dem Oberland nach Instrumenten landen.
Und das braucht eben ein durch Training garantiertes Wissen der Prozeduren.
Als Passagier hat man nur den ungemütlichen Föhn – und ich meine nicht das Lokal – zu „fürchten“. Außerdem: Auch in München und London muß der Pilot auf der Piste landen und nicht daneben.
Die ersten Charter, die das Wolkendurchstoßverfahren nutzten, waren die Belgier, anfangs noch mit einer urtümlichen viermotorigen Propellermaschine.
Hier die Anflugkarte nach dem ersten Instrumentenverfahren aus dem Jahr 1978.
https://postimg.cc/zyKpCwTm
Vielen Dank, Herr Hirsch, dass Sie Ihr Expertenwissen mit uns teilen!
Beste Grüße
Sebastian Eritscher