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Geliebt Oder Gehasst…

Geliebt oder gehasst…

… waren Turnstunden seit ihrer – blöden – Erfindung immer schon bei Schülerinnen und Schülern aller Schulstufen. Wir alle haben den typischen Geruch verschwitzter Turnsachen und (Angst-)schweiß in der Nase, wenn wir an das Betreten einer Turnsaal-Garderobe denken. Ein Odeur, der mit nichts anderem vergleichbar ist. Und das ist vielleicht auch gut so.

Wenn man dann als Schüler auf den Parkettboden des Turnsaales getreten ist, dann hat dieser von Schweiß und Tränen von Generationen von Schülern imprägnierte Boden geknarzt. Auch die Luft war immer schlecht. Vermutlich wurden Turnsäle nie gelüftet oder sie wurden so gebaut, dass darin immer eine abgestandene Luft waberte. Und dann erst im Geräteraum. Schwere Foltergerätschaften aus massiven Holz mit schweißgegerbtem, rohem Leder überzogen, die die Delinquenten zum Hohn noch selber aufstellen mussten. Zur Tarnung der zu erwartenden Verletzungen wurden alte, kaum fingerdicke Matten aufgelegt. Ein Absturz von Kasten, Pferd, Reck oder Ringen – man beachte schon die Namen dieser Gerätschaften! – hatte unweigerlich blaue Flecken und gelegentlich auch einmal einen gebrochenen Knochen zur Folge.

Um die Schmach vollständig zu machen mussten die einzelnen Schüler vor ihren Mitschülern versuchen, die gestellte Aufgabe, also eine unlösbare „Übung“, zu bewältigen. Die unweigerlich eintretenden Misserfolge wurden von den Lehrern, meist wegen Brutalität entlassene Feldwebel, laut schreiend kommentiert. Nicht freundlich. Und die Klassenkameraden wie es damals noch hieß, lachten dem Lehrer Beifall, um sich so das Urteil über ihr eigenes Scheitern zu erleichtern.

Zurück zum Foto: Wir befinden uns 1912 im Turnsaal der Knabenbürgerschule Müllerstraße.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signatur: Kr/Pl-2772)

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
  1. Mir scheint das schon sehr übertrieben. Ich war selbst Schüler der HS Müllerstraße von 1954 bis 58 und vorher in der Übungsschule 1950 – 1954, aber ich kann mich nicht an solche negativen Eindrücke erinnern. Gott sei Dank!

  2. Auch ich war Schüler in der Müllerstraße. Den Turnunterricht hatte ich manchesmal schon als Herausforderung erlebt, aber ebenso waren einige von uns während der Schulzeit eine richtige Herausforderung für unsere Lehrer. Einfach wilde Kerle. Den Turnsaal habe ich ebenfalls nicht so negativ in Erinnerung.

  3. Ich habe jetzt den Artikel noch einmal gelesen und ich kann mich nur wiederholen – so negativ und abenteuerlich war es sicher nicht. Der Turnsaal schaute zu meiner Zeit auch noch so aus (1950-1954 und 1956-1958) und die Lehrer waren angenehm, mir ist nichts Negatives in Erinnerung.

  4. Ich kann die Beschreibung Herrn Morschers sehr gut nachvollziehen. Auch in den 1980-ern war „LÜ“ oder „Leibesübungen“ in der HS Renner II noch ein Fach mit häufiger Qual und Folter. Das fing bei der Hygiene an: Turnstunden gab es bei uns auch mitten am Vormittag, nicht als letzte Stunde, obwohl der Turnsaal über keine Duschen verfügte, oder diese zumindest nicht verwendet wurden; dass irgendwo in den Katakomben dieses Pradler Schulmolochs welche existierten, kann ich nicht ausschließen. Das bedeutete, dass man im Anschluss völlig verschwitzt in den Unterricht zurückkehren musste, was ich damals schon, wiewohl natürlich daran gewöhnt, als grauslich empfand, besonders so ab der 6. Klasse, in einem Alter, in dem die Hormone Schweißgestank exponentiell zu verstärken beginnen, man aber zunehmend darauf zu achten versucht, dass man gut aussieht und auch gut riecht. Der einzige Trost war dann, dass alle anderen eh auch müffelten. Im Nachhinein wundert es mich, dass die Lehrer:innen dort nicht reihenweise aus olfaktorischen Gründen gekündigt haben oder zumindest mit Nasenklammern herumgelaufen sind. – Im Sommer wurde LÜ in den Innenhof der Schule verlegt, wo wegen der Umständlichkeit, Gerätschaften hinauszubringen, das seit einigen Jahren nun endlich kritisch betrachtete „Völkerball“ gespielt wurde, das man eigentlich nur hassen kann. Ein martialisch angehauchter, wahrscheinlich von Adolf persönlich erfundener „Sport“, wie er diskriminierender nicht sein könnte, weil er Lagerbildung glorifiziert und die Kleineren, Schwächeren und Langsameren zu Zielen und Opfern macht. Auch wenn das heute „Zwei-Felder-Ball“ heißt und damit zumindest die nationalistische Konnotation der Bezeichnung weg ist, war dieses „Spiel“ schon damals ein gelebter Anachronismus und die Schulverwaltungen sollten heute endlich durchgängig der Sportwissenschaft folgen, die seine Abschaffung fordert. War es ab und zu doch mal Fußball, das im sommerlichen Innenhof gespielt wurde (mit auf den Rasen hinauszutragenden Mini-Toren), war das für mich jedes Mal eine Erleichterung, denn das spielte ich ganz gern. Insgesamt kann ich aber sagen: leider nur ganz selten haben die Turnstunden in den stinkenden, oder nennen wir’s etwas diplomatischer „lufthygienisch herausgeforderten“ Turnsälen und dazugehörigen Umkleiden der 1980er-Jahre Spaß gemacht – damit haben sie ihren Zweck verfehlt, denn Schule soll positiv herausfordern und Spaß machen. Ich hoffe, dass das heute anders ist.

  5. Dank der spätkommenden Kommentare endlich auf diesen frühen Beitrag gestoßen.

    Also ich konnte Turnen (mens rasa in corpore rasante) auch nicht besonders gut leiden, aber dieses Foto zeigt mir, wo etwas später mein Vater herumturnen mußte.

    Ehe man sich empört: Zum Vlökerball (also Pradl gegen Wilten) kam zum „nationalistischen“ Namen auch der dieser Gesinnung völlig zuwiderlaufende „Freigeist“.

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