„Fürwahr kein Vergnügen“ – Teil 5
Josef Gruber ist nun seit dem 6. Mai 1918 in der Stellung am Monte Testo. Nach nur vier Tagen wird seine Kompanie alarmiert, um gemeinsam mit dem I. Bataillon des 2. Regiments der Tiroler Kaiserjäger den Monte Corno im Nachbarabschnitt zurückzuerobern (er war in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai von den Italiener eingenommen worden). Es zeigt dieses Gefecht um den Monte Corno exemplarisch, dass der Krieg an der Tiroler Front nur wenig mit dem populären Bild eines „Krieges der Bergführer“ gemein hatte. Viel mehr handelt es sich über weite Strecken um einen „modernen“, technisierten Stellungskrieg; die Geländegewinne waren gering, der Einsatz an Mensch und Material hoch und ein Durchbruch gelang an der Tiroler Front weder den Italienern noch den Österreichern.
Guten Morgen. Heute ist der 15. Mai u. ich komme endlich wieder dazu einige Notizen über die letzten ereignisreichen Tage aufzuschreiben.
Bis zum 10.V. keine besondere Vorfallenheiten. Nur walsche Flieger von unseren Abwehrgeschützen mit Schrapnell heftig, doch immer ohne Erfolg beschossen.
Am 10.V. begann der Walsche schon früh morgens (schöner reiner Tag) lebhaft zu schießen. Er beschoß den M. Testo u. ließ einige Granaten knapp neben dem Rgtskmdo in den Schnee hinein.
Bei uns hieß es zuerst, der 2. Zug habe exerzieren. Gleich darauf wurde Gefechtsbereitschaft angesagt. Jeder mußte sich bereitmachen mit Brotsack, Gasmaske, Stahlhelm (140 scharfe Patronen). Um 8h Abmarsch gegen Westen zu den Baracken des 1. Zg. etwa 20 Minuten. Ober- u. unterhalb des Weges bedeckten Granattrichter den Hang. Es ist ein verdammt unangenehmes Gefühl, wenn man das zum erstenmal sieht u. man nicht weiß, wann der nächste Schuß kommt u. wo er einschlägt. Doch der ganze Zg. kam glücklich bis zur Caverne [sic], wo wir uns decken konnten. Comp.Kmdt. Hpt[m]. Pfeifer [recte Pfeffer] ging mit dem Zg.Kmdt. voraus auf den Rücken des M. Testo, um sich die Situation anzuschauen. Als er zurückkam, ließ er auf eigenes Gutachten hin, die Comp. Schwarmlinie bilden. Doch bald hatte uns der [?] Feind erkneißt u. begann uns überaus heftig mit Granaten u. leichten Minen zu beschießen. Auf dem feindwärts gelegenen Hang lag Fhr. R… [?] mit einigen Mann als Beobachter. Und da der Feind keinen Angriff machte, so sah Hpt[m]. Pfeifer doch ein, daß die Schwarmlinie nicht notwendig sei. Er ließ uns daher einzeln wieder zurückgehen. Es war auch schon höchste Zeit, denn der Feind hatte sich jetzt eingeschossen u. kam schon sehr nahe mit seinen Granaten. Glücklich in der Caverne [sic] angelangt, sollte ich zu Fhr. R… [?] mit einer Meldung hinaufgehen. Auf halbem Wege kam mir ein Meldemann vom Beobachtungsposten entgegen, mit dem ich umkehrte.
Der Feind schoß mit 15 und 21 Kaliber herüber u. übersäte unsere nahe der Schneehang mit seinen Trichtern. Die Drahtseilbahn unten im Tale, welche über Socchi [?], Gheorle [sic] nach Rovereddo [sic] führte, zerschoß er ebenfalls. … … [2 Stenokürzl] 1. Komp. … [1 Stenokürzel] 2. Rgt. Mittags wurde abmenagiert, dann holten wir unsere Rüstungen u. marschierten, fortwährend beschossen nach Socchi [?] hinunter. Auf der gegenüberliegenden Talseite, auf dem Rücken oben, vermutlich eigene Batterien. Denn der Feind schoß sehr lebhaft. Es war ein ganz eigenes Gefühl, die Geschosse über den Kopf summsen [?] u. sausen zu hören, die dann gegenüber in den Felsen krepierten. Doch je mehr die Nacht vorrückte, desto näher rückte uns der Feind, bis wir mitten im feindlichen Feuer staken. 50-60x umkreisten uns die Geschosse u. überschütteten uns mit Stein u. Sprengstücken. Doch wurde wieder niemand dabei verletzt. Nachdem die Fassung von uns selbst geholt worden war (11h nachm.) marschierten wir so um Mitternacht in großen Distanzen, einzelabgefallen [sic] hinauf auf den Mt. Spil. Als wir über den Schneehang mit voller Packung hinauftschecherten, die Granaten haarscharf über die Köpfe sausten u. krepierten, so daß man sich niederwerfen mußte mit dem Toni [?] u. kaum mehr aufkam, da verwünschte wohl ein jeder den Krieg mit seinem Tschach! Ich hatte mittags nur 1 Conserve [sic] u. abends leeren Caffeè geholt u. ging mit leerem Magen gewiß nicht leichter. Endlich war ich auch oben im Graben. Da verlor der 2 Mann vor mir die Verbindung u. der Tschach begann von neuem. Ich glaubte, ich könnte es nicht mehr erschnaufen, denn bei jedem Atemzug spürte ich noch meine Rippenfellentzüdung, aber zurück blieb ich nicht. Aber das eiserne Pflichtgefühl bezwang alles. Gegen 3h vorm. kamen wir endlich immer dem Graben entlang u. beschossen, in unserer Caverne an. ¤ 1801. Es war so naß, daß ich meist im Wasser stand. Kaum hatte ich mich auf meinen Toni [Tornister?] gesetzt u. wollte etwas schlafen, da kam schon Hptm. Pfeifer u. jagte den 2. Zg. in eine Caverne links davon.
Dort blieben wir endlich. Von Schlaf keine Rede.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Nachlass Josef Gruber)