„fälschlich Hungerburg genannt“
Im Jahr 1840 erwarb der Landrat Dr. Joseph von Attlmayr nördlich der Weiherburg (wo er wohnte) mehrere Grundstücke, darunter den „am Fuße der Gramartwaldung, ober dem ärarischen Steinbruch befindliche[n] Bruchboden“ und den „bey der Martialhütte am Fuße der Gramart Waldung in Hötting befindlichen Grund“. Diese, in den Karten nicht verzeichnete, Hütte lag unweit von jener Stelle, an der Attlmayr um 1845/46 ein Wohnhaus errichten sollte. Wenn wir der Berichterstattung der Österreichischen Alpenzeitung glauben dürfen, nahm die Geschichte an einem Sommertag im Jahr 1844 ihren Anfang, den der Herr Landrat auf seinem neuen Grundbesitz oberhalb der Weiherburg verbrachte:
Schon längst hatte der baulustige Schloßherr den Plan, auf dieser luftigen Höhe ein Gehöft zu erbauen, aber es fehlte in der Nähe die erste Bedingung zum Bau – das Wasser. Und so schweifte sein Blick hinüber zum Wallfahrtsorte hl. Wasser, der nicht umsonst seinen Namen führt; denn ein herrlicher Bergquell entspringt bei der Kirche. Unwillkürlich gab er seinen Gedanken beredten Ausdruck, indem der gläubige Herr hinüberrief: „Hl. Wasser Mutter Gottes, gieb mir etwas von deinem Ueberfluß!“ In diesem Momente stieß er seinen Spazierstock, nach damaliger Mode oben mit einem goldenen Knopf und unten mit scharfem Spitze versehen, in die Erde. Und siehe, der Humus wich merkwürdigerweise dem unwillkürlich ausgeführten Drucke, und „feucht“ zog der Herr Rat den Stock aus der Erde. Dies als gutes Omen erblickend, ließ er sofort nach Wasser graben und fand tatsächlich an Ort und Stelle dasselbe in reichlicher Hülle. Mag man darüber denken wie man will, diese Begebenheit bleibt absolute Tatsache, und als Dank hiefür nannte Herr v. Attlmayr den Neubau „Mariabrunn.“
Österreichische Alpenpost, 10. Juli 1902.
Wenn die Geschichte so nicht stimmen sollte, so ist sie zumindest gut erfunden 😉
Fakt ist jedenfalls, dass wenig später die Bauarbeiten begannen und die Innsbruckerinnen und Innsbrucker bald an der Hangkante über der Stadt ein neues, „solid aufgeführt[es]“ Wohnhaus sahen, zu dem auch „gewölbte Stallungen“ und ein Stadel gehörten. Der obere Stock des Hauses war so gebaut worden, dass hier die „Herrschaften“ ihre Sommerfrische verbringen konnten.
Bereits im Jahr 1847 verpachtete Attlmayr den sogenannten Neuhof Mariabrunn inklusive des „Früh- und Baumgarten[s] vor dem Hause“ und dem ganzen Bruchboden an das Ehepaar Georg und Notburga Kirchmair aus Hötting. Wie Karl Klaar in den Heimatblättern (Heft 9/12 1947) schreibt, entwickelte sich die wirtschaftliche Lage der Pächter jedoch alles andere als rosig. Jedenfalls konnten sie den Pachtzins „nicht nur nicht termingemäß, sondern nur in verschiedenen unregelmäßigen Zeitspannen und in größeren und kleineren Beträgen“ begleichen. „Um seine wirtschaftliche Lage zu verbessern, erlangte Kirchmair von der Gewerbebehörde das Recht des Ausschankes von Bier und Schnaps. Dieses Recht hat er bereits 1852 besessen“, so Klaar.
Auch wenn der große wirtschaftliche Erfolg ausblieb, legte das Ehepaar Kirchmair damit den Grundstein für die Hungerburg als Ausflugsziel. Für diesen Namen gab und gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Karl Klaar führte die Herkunft auf die kärglichen Lebensumstände der Kirchmairs zurück: „Und so mag es gekommen sein, daß einem Höttinger, der sich durch eigebnes Zusehen und wohl auch durch die Klagen Kirchmairs von der Notlage desselben überzeugen konnte, der Ausruf entschlüpft ist, daß Mariabrunn eine Hungerburg sei.“ Sei dem wie auch immer – für eine Gastwirtschaft war dieser Beiname sicherlich nicht gerade ein ideal. Wenig verwunderlich also, dass sich die Wirtsleute anfänglich noch dagegen zu wehren versuchten, wie das untenstehende Inserat illustriert:
Nun, wir wissen, dass es beim Namen Hungerburg bleiben sollte. Und spätestens mit der Übernahme der Gastwirtschaft durch Andreas Hechenbleikner im Jahr 1874 hatten sich auch die Gastronomen in ihr Schicksal gefügt:
(StAI, Slg. Sommer)
Die allerälteste schriftliche Erwähnung des Namens „Hungerburg“ dürfte im Reiseführer „Innsbruck im Jahre 1851. Neuestes nach den besten Quellen bearbeitets Handbuch für Einheimische und Fremde“, erschienen 1852, zu finden sein. Darin heißt es im Kapitel über die Weiherburg auf Seite 223:
„Oberhalb des Schlösschens breitet sich eine Hochebene aus, auf der das Landhaus Maria Brunn, im Volke die „Hungerburg“ genannt, liegt. Eine genussreiche Aussicht bis tief in das Wippthal hinein belohnt den Besteiger.“
Vielen Dank für diesen interessanten Hinweis! Der Name „Hungerburg“ dürfte schon zuvor recht weit verbreitet gewesen sein. So zitiert Franz Schumacher in seinem Aufsatz über die Ausflüge der kaiserl. Familie im Jahr 1848 einen namentlich nicht genannten Chronisten, der von einem Ausflug zur „sogenannten Hungerburg“ berichtet. Wörtlich schreibt Schumacher:
„Am 9. Juni abends fuhren der Kaiser, Erzherzog Franz Karl und der Erzherzogn Erbprinz Franz Josef (der einstweilen aus Italien zu zu seiner Familie zurückgekehrt war) zur Weyerburg spazieren. Sie stiegen von dort, wie der Chronist sagt, ‚zur sogenannten Hungerburg empor, wo sie sich an der herrlichen Aussicht ergötzten und ein großes Wohlgefallen fanden.‘ “ (TA v. 19.04.1930) https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tan&datum=19300419&query=%22Franz+Schumacher%22&ref=anno-search&seite=9