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Facharbeiter Und Flaneure

Facharbeiter und Flaneure

Die Karwendelbrücke der Mittenwaldbahn ist, mit den angrenzenden Bögen und Wasserlandschaften, auf diesem Blog schon oft Thema gewesen. Das Bild aus der Sammlung Kreutz zeigt die letzten Handgriffe an der Brücke. Eine Reihe von Facharbeitern kümmert sich um Montage der Geländer und den Feinschliff der Geleise. Davor stehen lose Gruppen von Beobachtern, Herren aller Altersgruppen, im Sonntagsgewand und erfreuen sich, wie das Herren aller Altersgruppen bis heute tun, am Baustellen-Schauen.

Nach der Schneelage dürfte es April oder Mai 1912 sein, denn im Juli fuhren hier schon die ersten Dampfrösser und im Oktober war die Bahn bis Scharnitz elektrifiziert und wurde glanzvoll eingeweiht.

In den Schilderungen der Eröffnungsfeier, bestens organisiert vom jüdischen Innsbrucker Kreditanstalt-Bankdirektor Julius Stern (die Kreditanstalt hatte das Unternehmen finanziert), weht durchaus der schräge Ton der Monarchie-Endzeit. Nach der Besichtigung des energiespendenden Ruetz-Kraftwerks und einer Probefahrt Innsbruck-Scharnitz retour (gereicht wurde Enzianschnaps des jüdischen Branntweiners S. Steiner) wurden beim Festmahl eine Reihe von Telegrammen versandt, unter anderem an Erzherzog Eugen:

„An Seine kaiserliche und königliche Hoheit
den hochwürdigst-durchlauchtigsten Herrn Erz¬
herzog Eugen, Wien. In dankbarer Erinnerung
an das gnädige Wohlwollen das Eure kaiser¬
liche und königliche Hoheit der Schaffung der
Mittenwaldbahn stets zu beweisen geruht haben,
bitten die Teilnehmer an der Eröffnungsfahrt
den Ausdruck ehrfurchtsvollster Ergebenheit huld¬
voll entgegennehmen zu wollen.“

… und natürlich zuvorderst an die Monarchen Österreichs und Bayerns. Dem Telegramm an Franz Josef I:

„An Seine kaiserliche und königliche Apostoli¬
sche Majestät Wien. Anläßlich der Eröffnung
der mit weitgehender Unterstützung Eurer Ma¬
jestät Regierung ins Leben gerufenen Mitten-
waldbahn bitten die Festteilnehmer Eure Maje-
stät den Alleruntertänigsten Ausdruck ihrer ehr¬
furchtsvollsten Huldigung allergnädigst entgegen¬
nehmen zu wollen.“

… wird vom Kabinett freundlicherweise gleich zur Kenntnis zu nehmen geruht und zu antworten erlaubt.

„Wien, Schönbrunn. Seine k. u. k. Aposto¬
lische Majestät haben die anläßlich der Er¬
öffnung der Mittenwaldbahn von den Fest¬
teilnehmern dargebrachte Huldigung mit Dank
allergnädigst zur Kenntnis zu nehmen geruht.
Im allerhöchsten Aufträge Kabinetts-Kanzlei
Seiner k. u. k. Apostol. Majestät.“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Danke für den interessanten Artikel.
    Es ist mir nur wichtig, festzuhalten, dass hier überhaupt keine „Dampfrösser“ gefahren sind und das gerade hier besonders wichtig ist, denn die Mittenwaldbahn war die erste elektrische Vollbahn der gesamten Monarchie (!) und auch, aber nicht nur deshalb eine technische Meisterleistung und Meisterstück des Josef Riehl.

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