Eine gut gehegte Blüte
Mit einem Jahr Verzögerung gegenüber anderen Orten Tirols und der Monarchie machte sich Innsbruck 1912 an die Organisation seines ersten Blumentags. Wohl im März bildete sich dazu ein Ausschuss, der sich aus Mitgliedern jener drei Wohlfahrtsvereine zusammensetzte, die schon im Vorjahr die Ausrichtung erwogen hatten: des Ferienkolonienvereins, der Blindenfürsorgevereins, und der Rettungsabteilung der freiwilligen Feuerwehr. Sie planten nach Wiener Vorbild ein großes Fest und erwarteten (zurecht) dass es, „da etwas ähnliches in Innsbruck noch nicht stattgefunden hat, allseitigem Interesse begegnen“ würde, wie die Innsbrucker Nachrichten am 3. April 1912, S. 2 berichteten. Als Obmann des Ausschusses fungierte Lukas Ostheimer (1858–1926), Direktor der Bürgerschule und Gründer sowie Vorstand des Ferienkolonienvereins.
Am 27. April 1912 brachten die Innsbrucker Nachrichten einen enthusiastischen Aufruf, der die Bevölkerung emotional auf das Großereignis vorbereitete und deutlich machte, dass das Who is Who der hiesigen Gesellschaft hinter der Aktion stand: Das Protektorat übernahm Albertine Baronin von Spiegelfeld, die Gattin des Statthalters, das Ehrenpräsidium der Innsbrucker Bürgermeister Wilhelm Greil. Den Aufruf unterzeichneten die Spitzen aus Landesverwaltung, Militär, Justiz, Wirtschaft und Stadtpolitik – mit Abwesenheit glänzt hingegen interessanterweise ausgerechnet die katholische Kirche.
In den folgenden Tagen wurden die wichtigsten personellen und organisatorischen Aspekte entschieden und kommuniziert. Die Stadt war in 19 „Bezirke“ eingeteilt, wobei dem noblen Döbling der nicht minder noble Hofgarten entsprach. Dort sorgten verschiedene Pavillons für das leibliche Wohl, je ein Pavillon für Tee und kalte Platten, eine Konditorei, Würstl und selbstverständlich je ein Pavillon für Bier, Wein und Schnaps. Ein weiterer bot neben Tabak auch Ansichtskarten und zuguter Letzt, aber angesichts des Anlasses nicht ganz unwichtig – ein Blumenpavillon. (Innsbrucker Nachrichten, 3. Mai 1912, S.5).
Die Protektorin Baronin Spiegelfeld lud sich Damen von Rang und Namen ein, die als Patronessen für die einzelnen Bezirke fungierten, die sich je eine Bezirksleiterin wählten. (Innsbrucker Nachrichten 1. Mai 1912, S. 3). Die Auflistung dieser Namen in den Innsbrucker Nachrichten vom 4. Mai führt deutlich vor Augen, wie sehr die Frauen dieser Zeit im Schatten ihrer Männer standen. Ihre Vornamen spielten keine Rolle, identifizierbar waren sie ausschließlich über Rang, Funktion und Namen ihrer Ehemänner: „… 11. Frau Finanzrat Merl und Frau Hauptmann Graf, 12. Frau Sekretär Feichtinger, 13. Frau Oberleutnant Bier, 14. Frau Postrat Winkler, 15. Frau Gemeinderat Thaler“ heißt es hier zum Beispiel.
Geplant war das Großereignis ursprünglich für den 16. Mai – Christi Himmelfahrt. Dieses Datum ist auch auf der Rückseite der oben gezeigten offiziellen Postkarte Innsbrucker Blumentags von 1912 abgedruckt, die einen Strauß Alpenblumen zeigt. Die Vorlage für diese Karte stammt von der als Geier-Wally weithin berühmt gewordenen Malerin Anna Stainer-Knittel, verlegt wurde sie im Postkartenverlag ihres Sohnes Leo Stainer.
Der Termin wurde dann jedoch um zwei Tage auf Samstag, 18. Mai nach hinten verschoben – womöglich, um die lokale Wirtschaft besser in das Fest einbinden zu können. In der letzten Woche vor dem Großereignis brachte die Presse praktisch Tag für Tag Kurzmeldungen über den aktuellen Stand der Vorbereitungen. Aufrufe wandten sich an die jungen Mädchen der Stadt, sich als Verkäuferinnen zu melden, die Gewerbetreiben wurden ersucht, ihre Auslagen mit Blumen zu schmücken und für ausreichend Wechselgeld zu sorgen, da die Kundinnen und Kunden selbiges am Blumentag benötigten würden. Wie in Wien wurden die Spenden nämlich in versiegelten Büchsen gesammelt und jegliches Wechseln vermieden, um Missverständnissen und Unregelmäßigkeiten vorzubeugen.
Auch Erzherzog Eugen sagte sein Kommen zu. Es war also alles angerichtet, für den großen Tag. „Der 1. Innsbrucker Blumentag dürfte, sofern ihm das Wetter hold ist, eines der schönsten Straßenfeste werden, das in Innsbruck je zu sehen war, berichteten die Innsbrucker Nachrichten am 15. Mai 1912 voller Vorfreude. „In allen Ecken und Enden rührt es sich; die Kaufleute sind bereits beschäftigt, ihre Auslagen mit den Festblumen zu schmücken, und da die gesamte Bevölkerung an diesem humanen Feste mitwirkt, dürfte der Erfolg gewiß nicht hinter den gehegten Erwartungen zurückbleiben.“
Fortsetzung folgt.
Vom Blumentag 1912 gibt es eine sehr schöne Bilderserie aus dem Fotografischen Atelier Zech in der Heiliggeiststraße 4. Auf den Postkarten dieser Serie sieht man die hübschen Blumenstände und viele Festgäste fotografisch verewigt.
Mehr zu den Blumentagen im Mai 1912 kann man auch in der unlängst erschienenen Zeitung „Innsbruck informiert“ Nr. 5 von 2002 nachlesen:
https://amtsblatt.stadtarchiv-innsbruck.at/bild.php?id=13617