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Ein Café Mit Bewegter Geschichte

Ein Café mit bewegter Geschichte

Am 4. Februar 1908 eröffnete der aus Niederösterreich stammende Ca­fe­ti­er Ludwig Lehner (1873-1956) in seinem Haus an der Ecke Karlstraße / Margarethenplatz (heute: Wilhelm-Greil-Straße / Bozner Platz) das Café-Restauraunt Lehner. Im Vorfeld rührte er eifrig die Werbetrommel. Auch inszinierte Lehner die Eröffnung äußerst publikumswirksam, wie einer Notiz aus dem ATA vom 4. Feber 1908 zu entnehmen ist: „Da mit heu­tigem Tage der bisherige Pächter des Cafe Stockinger sein eigenes Cafe Lehner in der Karl­straße eröffnet, so veranstalteten heute die dort anwesenden Gäste [um] 3 Uhr früh einen originellen und fidelen Auszug. Mit Tisch und Stuhl und Sang und Klang wurde ins neue Cafe Lehner gezogen.“

Inserat aus dem ATA vom 1.2.1908.

Lehner, der sein neues Kaffeehaus schon bald um einen Gastgarten und einen Damensalon („Ganz separierter Eingang. Für Damen durch das Haustor Karlstraße 11“) erweitern sollte, konnte sich offensichtlich über regen Zuspruch freuen. Zahlreiche Vereine, wie die Ortsgruppe Innsbruck des Österreichischen Eisenbahnbeamtenvereins, der Verein der Oberösterreicher oder die Sektion Innsbruck des Bundes der österr. Gastgewerbe-Angestellten trafen sich bei ihm, der Klubo Esperanta Innsbruck hatte im Lehner sogar sein Klublokal. Der ein oder andere Verein wurde dort aus der Taufe gehoben: „Im Anschluß an den Vortrag des Herrn Professors Forel findet Mittwoch, den 9. März, abends halb 8 Uhr, im Cafe ‚Lehner‘, Karlstraße, im Hinteren Lokal, eine Besprechung statt, behufs Gründung eines Abstinentenvereines. Freunde und Gäste sind herzlich willkommen.“ (ATA v. 9. März 1910).

Auch Schriftsteller und Literaten konnte man vor 1914 im Lehner antreffen, so zählte etwa Georg Trakl (1887-1914) zu den Stammgästen. Spätestens mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ging die Glanzzeit des Café-Restauraunt Lehner zu Ende.

In den von Hunger und wirtschaftlicher Not geprägten Jahren nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie geriet das Kaffeehaus wiederholt ungewollt in die Schlagzeilen. Ende November 1919 meldeten die Innsbrucker Nachrichten: „Dem Heinrich Barbist wurde aus dem Cafe Lehner ein auf 1000 Kr. ge­schätzter Winterrock mit Pelzkragen, fast neu, gestohlen.“ (IN v. 26.11.1919). Im Jänner 1920 führte die Städtische Sicherheitswache gar eine Razzia durch:

Da sich in letzter Zeit zeigte, daß unlautere Elemete, welche sich mit Schiebergeschäften, Valutahandel zu befassen pflegen, neuerdings das Cafe Lehner zum Schauplätze ihrer Tätigkeit machten, wurde von der Landesregierung im Einvernehmen mit der Finanzlandesdirektion eine neuerliche eingehende Revision des Lokales angeordnet, die am Samstag, den 31. Jänner nachmittags stattfand. Diese Durchsuchung wurde damit eingeleitet, daß das Kaffeehaus durch Sicherheits­organe umstellt wurde, woraus unter Leitung des Ma­gistratsrates Dr. Brix von Organen des Kriegswucheramtes und der Finanzbehörde eine eingehende Kontrolle aller anwesenden Personen und eine Durchsuchung des ganzen Gastlokales vorgenommcn wurde. Hiebei wurden 22 Personen wegen unerlaubten Valu­ten- und Goldhandels, so[wie] einzelne wegen unerlaubten Aufenthaltes, sowie wegen Hasardspiel, beanstandet und der Behörde vorgeführt. Die Amtshandlung wird eine Reihe von Strafverfolgungen und Ausweisungen im Gefolge haben. (IN v. 3.2.1920).

Schließlich trennte sich Ludwig Lehner noch im selben Jahr von seinem Kaffeehaus und eröffnete in der Maximilianstraße die Stehbierhalle zur Hauptpost. Das Café Lehner übernahm der Ca­fe­ti­er Franz Weiß (1871-1951), ein gebürtiger Wiener, der es zunächst noch unter dem alten, jedoch ab Juli 1923 unter seinem eigen Namen als Café Weiß fortführen sollte. Spätestens um diese Zeit scheint das Lokal wieder seinen alten, guten Ruf wiedererlangt zu haben. In den 1920er-Jahren konnte man dort regelmäßig die Mitglieder des Sportklubs Tirol antreffen, auch der Tiroler Schachverband wurde im März 1927 im Weiß gegründet.

Mit den Jahren baute Franz Weiß das beliebte Lokal „zu einem modernen Caferestaurant aus […]. In Anbetracht seiner Verdienste um den Fremdenverkehr und das Gastgewerbe wurde ihm 1932 vom Bundespräsidenten der Titel eines Kommerzialrates verliehen. Der zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit forderten von ihm große Opfer: Sein blühendes Unternehmen fiel 1943 in Schutt und Asche, vor ungefähr einem Jahr ver­lor er seine Gattin und erst vor einigen Woche starb sein zweiter Sohn. Trotz dieser schweren Schicksalsschläge schritt er nach mehr als 60-jähriger Berufszugehörigkeit mit eisernem Willen an den Wiederaufbau seines Hauses und aus Bombentrümmem erstand das neue moderne Cafe ‚Weiß‘, dessen vollständigen Ausbau [sic] er leider nicht mehr erleben konnte.“ (TN v. 30.10.1951)

Das Cafe Weiß wurde bei den Luftangriffen (15. Dezember 1944 und 27. Feber 1945) im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt.

Im Jahr 1979 ging die wechselvolle Geschichte dieses Innsbrucker Kaffeehauses endgültig zu Ende. Heute befindet sich an dieser Stelle die Filiale einer Großbäckerei.

(StAI, Ph-15407 / Ph-20689)

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