Ein erschütternder Brief
Am 6. November 1916 griff Hermann Bouthillier (1874-1926), Hauptmann der k. u. k. Sanitätstruppe, zu Feder und Papier und schrieb an seine in der Innsbrucker Museumstraße wohnende Frau Josefine, geb. Weyrer, folgende Zeilen:
An meine liebe Frau!
Wenn ich einst fallen sollt‘, dann muß Dein Sinn
Sich still in Gottes heil’gen Willen fügen,
Dann muß es Dir zu süßem Trost genügen.
Daß ich den Heldentod gestorben bin;
Dann zeige stolz in leidverklärten Zügen,
Wieviel Du gabst dem Vaterlande hin. –
Schwer liegt auf Blütenkelchen oft der Tau;
Das Leid kommt auch vom Himmel, liebste Frau.
Wenn ich einst fallen sollt‘, dann muß dein Mund
Den lieben Kindern Deinen Schmerz verhelen;
Dann mußt Du ihnen viel von mir erzählen,
Und wie ich euch geliebt, tu ihnen kund.
Wenn sich die letzten Sonnenstrahlen stehlen
Zu euch ins Zimmerlein zur Abendstund
und man Dein Antlitz sieht nicht so genau
dann darfst auch Du mal weinen, liebste Frau.
In treuer Liebe zugeeignet! – Hermann
Diese Zeilen entstanden vermutlich unter dem Eindruck der 9. Isonzoschlacht (31. Oktober bis 4. November 1916), die allein 16.000 italienischen und 11.000 österreichisch-ungarischen Soldaten und Offizieren das Leben gekostet hatte. Wie mag so ein Brief auf eine Ehefrau gewirkt haben, deren Mann seit nunmehr über zwei Jahren im Krieg war?
Josefine Bouthillier notierte am 10. November 1916 auf der Rückseite mit Bleistift: „Der Brief tut mir sehr weh – Gib Allgütiger, daß ich meinen Mann behalte!“
Josefines Gatte sollte den Ersten Weltkrieg überleben. Im Frühjahr 1917 wurde Hermann Bouthillier zum Major befördert und der Sanitätsabteilung des k.u.k. Infanterie-Regiments Nr. 91 zugeteilt. Nur wenig später übernahm er das Kommando über ein Militärspital in Temeswar. Im November 1918 kehrte er schließlich nach Innsbruck zurück, wo er die Liquidierung des Granisonsspitals leitete. Die Kriegsstrapazen hatten allerdings seiner Gesundheit stark zugesetzt und so starb er am 10. Jänner 1926 im 52. Lebensjahr während eines Kuraufenthaltes in Baden bei Wien.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Familienarchiv Weyrer-Bouthillier (Christoph Bouthillier)
Ein wirklich erschütternder Brief!
Für unser heutiges Verständnis eigentlich unglaublich……..
Einfach aus einer anderen Zeit und doch „nur“ 100 Jahre her.
Schon allein der Briefkopf der Feldpost. Die Schrift und besonders die Anrede „Ihrer Hochw.(ohlgeborenen)? Frau Josefine Bouthillier…..
Hauptmanns………“ hier hat mich die Lesekunst in Kurrent leider verlassen.
Da es mich aber sehr interessieren würde, welchen Titel die Frau eines k.u.k.Hauptmannes zu tragen pflegte – vielleicht kann es jemand entziffern und weiter geben?
Auf jeden Fall ein historisches Schriftstück, welches die Epoche der damaligen Zeit wieder gibt.
Sehr geehrter Herr Holzner,
„Hochw.“ steht, wie von Ihnen richtig vermutet, für Hochwohlgeboren und Hermann Bouthillier titulierte seine Frau als „Hauptmannsgemahlin“. Einen offizielen Titel führten die Ehefrauen von öst.-ung. Offizieren nicht, die jeweilige Anrede blieb dem Briefschreiber überlassen. So hätte Josefine in der Adresszeile ebenso gut als „Frau Hauptmann Josefine Bouthillier“ oder schlicht als „Frau Hauptmann Bouthillier“ tituliert werden können …
Beste Grüße,
Matthias Egger
Vielen Dank für Ihre lehrreiche Antwort, Matthias!
„Hauptmannsgemahlin“ – das ist auch wieder so ein Wort, das einfach der Zeit entnommen zu scheint.
Während glaublich „Frau Hauptmann“ undenkbar gewesen wäre……
Allgemein spreche ich Ihnen zu dieser Seite meine Bewunderung aus. Die Beiträge lassen erahnen, wie es damals gewesen sein muss. Und oft regen diese zum Nachdenken an, während andere zum Schmunzeln sind. Auf jeden Fall immer lehrreich und unterhaltsam.
Beste Grüße zurück
Gert Holzner
Ich würde sagen: Hauptmannsgemahlin – zumindest vom „…mahlin“ weg müsste es stimmen, das „g“ und „e“ ist so eine Eigenkomposition.
Kleiner Nachtrag zur Familie Bouthillier:
Dr. Christoph Bouthillier (* 16.5.1948 in Innsbruck, + 6.10.2015 in Utrecht), der unter dieser Adresse in der Museumstraße wohnte, war mein Mitschüler. Mit Sicherheit ein Nachfahre, Enkel, der Herrn Hauptmanns. Wir blieben über die Schulzeit hinaus in Verbindung, nach Abschluß seines Studiums zog es ihn nach Utrecht, wo er verheiratet war und bis zu seinem allzufrühen Tod lebte. Er betrieb ein Übersetzungsbüro und ein Unternehmen, welches auf die Durchführung und Logistik von Büroübersiedlungen spezialisiert war. Die Ehe blieb kinderlos.