Ein Brunnen des Tierschutzvereines
Sie haben es vermutlich gleich erkannt, der Trinkbrunnen, um den es geht, befindet sich am Innrain beim Terminal Marktplatz. Er wurde 1914 eingeweiht und vom Tierschutzverein aufgestellt. Aber aus welchem Anlass?
Wie man an der Form erkennen kann, wurde der Brunnen als Tiertränke konzipiert. Er stammt noch aus einer Zeit, als der Viehtrieb durch die Stadt zwar zunehmend eingeschränkt wurde, aber noch nicht völlig verboten war. Zwar wurden die meisten Tiere, die für den städtischen Schlachthof bestimmt waren, im Jahr 1914 bereits mit der Eisenbahn in Viehwaggons direkt zu dem neuen Schlachthof, der im Jahr 1910 eröffnet worden war, transportiert. Tiere aus der Umgebung und jene, die zu den Nutzviehmärkten geführt wurden, trieb man aber weiterhin durch die Stadt.
Dabei verursachte der Viehtrieb immer wieder Unfälle. Besonders schlimm war die Situation in den Jahren vor der Eröffnung des neuen Schlachthofes, weil die mit der Bahn angelieferten Tiere vom Südbahnhof, dem heutigen Hauptbahnhof, durch die Museumstraße und dem Burg- und Marktgraben zum Schlachthaus am Innrain Nr. 4 getrieben werden mussten. Der Viehtrieb erregte allerdings nicht nur als Verkehrshindernis in den belebten Straßen öffentliches Ärgernis. Im Jahresbericht des städtischen Veterinäramtes für 1904 heißt es:
„Sehr unangenehm und störend macht sich der Viehtrieb vom Markte und den Stallungen, [sic!] sowie von den Bahnhöfen zum Schlachthause bemerkbar. Die fortwährenden Klagen und polizeilichen Anstände wegen tierquälerischer Handlungen beim Triebe, die Menschenansammlungen bei liegengebliebenen Rindern auf den Straßen, die das Gefühl eines jeden gebildeten Menschen verletzenden, tierquälerischen Transporte von Rindern, die beim Bahntransporte verunglückt sind, sind beredte Zeugen eines unhaltbaren Zustandes in der Landeshauptstadt.“ (IN 17.7.1905, S. 5)
Der im Jahr 1881 gegründete Tierschutzverein für Tirol und Vorarlberg setzte sich für eine bessere Behandlung der Tiere ein. Auch die Errichtung solcher Tränkbrunnen ist in diesem Kontext zu sehen. Mit der Verlagerung des Viehtransportes auf die Eisenbahn verschwanden die tierquälerischen Szenen aus dem Straßenbild.
Aber auch der Transport mit der Bahn war für die Tiere eine furchtbare Qual. Der langjährige Obmann des Tierschutzvereines, Oberveterinärrat Josef Kofler, hatte als Veterinäramts- und Schlachthofleiter gute Einblicke in die lokalen Verhältnisse. Im Rückblick schrieb er Folgendes:
„Auf der Eisenbahn wurden die wertvollen Rinder zusammengepfercht in die Waggon [sic!] verladen, wo sie dann oft genug in den Endstationen krank oder tot einlangten.“ (Abl. 1949, Nr. 12, S. 3–4)
Im Juni 1910 gelangten insgesamt 1.671 Tiere mit der Eisenbahn zum Innsbrucker Vieh- und Schlachthof; fünf Schweine und ein Schaf verendeten beim Transport. Im darauffolgenden Monat wurden ein Ochse und zwei Schweine tot in den Waggons vorgefunden.
Insofern verschwanden tierquälerische Praktiken mit der Errichtung des neuen Schlachthofes mit Eisenbahnanschluss nicht, sie wurden nur aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-A-24378-19)
(Martin J. Kriechbaum)
Quellen:
Coml.-Akten 1911/Karton 3, Z. 1910/34352, gesammelt bei Coml. 1911/1172, Anhang zum Bericht der Schlachthofleitung über den Betrieb des Schlacht- und Viehhofes in der Zeit vom 17. Mai bis 1. Juli 1910, Ausweis über die per Bahn eingelangten Tiere.