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Ehemaliger Steinbruch, Ehemalige Hinrichtungsstätte

Ehemaliger Steinbruch, ehemalige Hinrichtungsstätte


Auf diesem Ausschnitt eines Lageplans des Stadtbauamts Innsbruck von 1941 zu „Straßen-Neu- und Umbenennungen“ findet sich links vom Knick, südlich der schwarz-weiß strichlierten Igler Bahn unscheinbar eine unregelmäßige Struktur eingezeichnet; und mit etwas Abstand sowohl links als auch rechts davon. Es sind dies ehemalige Steinbrüche am Paschberg.

In einem Dokument, das 1948 ohne Angabe der Urheberschaft in den Handakten von Landeshauptmann Alfons Weißgatterer (ÖVP) abgelegt wurde, heißt es,

dass seit 1940 gut 450 Männer und Buben wegen ihrer Freiheitsliebe und gegen den Zwang in der deutschen Wehrmacht in einem traurigen Zuge einiger Automobile von der Militärhaftanstalt in Innsbruck (Landesgericht) um 4 Uhr früh zum Steinbruch beim Bretterkeller am Tummelplatz in den Tod geführt wurden.

Von „450 Männern und Kindern“ ist die Rede, die „dort am Steinbruch um 4 Uhr früh an den Pfahl gebunden und erschossen“ wurden.

Knapp 50 Jahre später gibt 1996 Franz-Heinz Hye als Leiter des Innsbrucker Stadtarchivs in einem Schreiben an Herwig Van Staa, zu dem Zeitpunkt Innsbrucks Bürgermeister, die Zahl von 20 bis 26 Personen an, welche auf Grund von Urteilen der Wehrmachtsjustiz im Zeitraum zwischen 1943 und 1945 im ehemaligen Steinbruch am Paschberg hingerichtet wurden. Als Quelle dafür verweist Hye auf die Recherchen des Innsbrucker Journalisten Günter Peis, der „authentische Aussagen von beteiligten Zeugen besitzt“.

2012 starteten Christina Müller und Helmut Muigg das Forschungsprojekt „Die Vergessenen vom Paschberg“. Ausgangspunkte lieferten die beiden schriftlichen Quellen und die Erzählungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen u.a. zu Schüssen am Paschberg und Transporten hin und retour zum ehemaligen Steinbruch – konkret dem mittleren und größten der drei Steinbrüche. Durch die Auswertung von Akten und Interviews konnte einiges über die Vorgänge am Paschberg, den damit in Verbindung stehenden Schicksalen und die Tätigkeiten der Wehrmachtsjustiz in Innsbruck in Erfahrung gebracht werden. Davon berichtet u.a. ein Artikel von Christina Müller, der im Gaismair-Jahrbuch 2014 erschienen ist. Am Ende war es möglich, fünfzehn in Innsbruck hingerichtete Soldaten zu nennen.

Noch am 21. April 1945 und damit knapp zwei Wochen vor Kriegsende wurden der wegen Fahnenflucht verurteilte Ernst Federspiel, geb. am 4. Oktober 1924 in Innsbruck, und Walter Patzelt, geb. am 19.11.1920 in Prosmik (Prosmyky) im heutigen Tschechien, um 7 Uhr früh am Paschberg hingerichtet.

Am 5. Mai 2025 findet das Projekt „desertieren. ein Gedenk-Einsatz“ von islandrabe statt. Thema der Aktion ist das Schicksal von Deserteuren der Wehrmacht und jenen, die diese unterstützt haben — und deren spezielle Rolle in der Erinnerungskultur bis in die Gegenwart, die großteils durch Abwesenheit geprägt ist.

Detaillierte Informationen zum Programm am 5. Mai finden Sie auf der Projektwebsite desertieren.info

Dort können Sie sich auch für den Newsletter anmelden, um keine der Audioreportagen über die Hintergründe des Projekts zu verpassen, wie z.B. zu den Ergebnissen des Forschungsprojekts „Die Vergessenen vom Paschberg“.

(Ausschnitt aus „Stadtbauamt Innsbruck, Straßen-Neu- und Umbenennungen, 23. Jänner 1941“, Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, SammelA-283)

Deserteure und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer waren bereits Thema bei „Innsbruck erinnert sich“ in den Beiträgen „Erschießung wird durchgeführt…“ und „Ein Deserteursversteck in Mariahilf“ von Peter Pirker, der das Forschungsprojekt „Deserteure der Wehrmacht“ (2019 bis 2022) leitete.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Die Art wie bei diesem Gedenkeinsatz gedacht wird, finde ich angesichts des gerade jetzt sehr heißen Themas gelungen.
    Der Stein als Zeuge flieht mit Hilfe der Beteiligten am Morgen vom Ort des Geschehens in die Stadt, am Abend muss er aber wieder zurück.
    Sehr gut finde ich, dass man für den Gedenkeinsatz lt. Tagesprogramm auch einen Vetreter des Heeres gewinnen konnte. Ich denke, da wir man z.B. das Carl Sandburg – Zitat in voller Länge erörtern können – meist bekommt man ja nur den ersten Satz zu hören.

    Schade ist es, dass die Bodenbefunde der Grabungen um 2012 im Steinbruch nicht wissenschaftlich ausgewertet werden konnten, da es damals lt Herrn Muigg am Geld fehlte. Wäre eigentlich was für die Gedächntnisstiftung, zumal die erschossenen Deserteure aus der historischen Distanz betrachtet, auch Gefallene des Weltkrieges sind.

    Bezüglich der Diskrepanz von 450 zu 25 Personen hoffe ich, dass darunter auch jene fallen, die in den Monaten Februar bis April 45 Einberufungsbefehle bekamen und bei der Besprechung mit ihren Eltern dem elterlichen Befehl „Do geasch nit hin!“ Folge leisteten, in den Monaten nach Kriegsende das aber möglichst unter den Tisch kehrten und geraume Zeit für die Statistik verschollen blieben, da es ja trotzdem geahndet oder von ein paar ebenso durch den Rost gefallenen Kellernazis gerächt hätte werden können.

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