Drei Revolver und ein Liebesdrama in der Altstadt
Am 9. April 1931 fand in Innsbruck ein Prozess statt, bei dem es um einen Mordversuch ging: Angeklagt war die 24-jährige Klara Walter, die ihren Ex-Geliebten mit fünf Revolverschüssen verletzt hatte. Doch warum hatte die junge Frau versucht, ihren Verflossenen zu töten? Was hatte sie zu dieser Tat veranlasst?
Am 10. April 1931 erschien in den Innsbrucker Nachrichten ein Artikel, der sich gründlich mit der Vorgeschichte, die im Endeffekt zu dieser „Verzweiflungstat“ geführt hatte, beschäftigte: Klara Walter stammte aus einer Schaustellerfamilie, die mit ihrem Fahrgeschäft von Markt zu Markt zog. Im Herbst 1927 befand sich Familie Walter in Innsbruck und Klara lernte auf der zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Innsbrucker Herbstmesse den 30-jährigen Obsthändler Franz T. kennen. Sie verliebte sich Hals über Kopf in den jungen Mann. Sie verließ ihren Lebensgefährten – mit dem sie ein gemeinsames Kind hatte – und stürzte sich in eine anfangs recht glückliche Beziehung mit Franz. Im Herbst 1930 machte ihr dieser sogar einen Heiratsantrag, bestand aber darauf, dass Klara vor der Eheschließung ihr Dienstverhältnis als Haushaltshilfe einer Familie in Wattens beenden müsse. Die verliebte junge Frau kündigte und zog nach Innsbruck in seine in der Altstadt gelegene Wohnung, die er zusammen mit seiner Mutter bewohnte.
Ab diesem Zeitpunkt wendete sich – laut dem bereits weiter oben erwähnten Artikel in den Innsbrucker Nachrichten – das Blatt: „Da ihr aber die Mutter des Geliebten nicht besonders gewogen war, war Klaras Verbleib nicht von langer Dauer. Nach einigen Wochen verließ sie das Heim des Geliebten, der ihr ein Zimmer in der Hofgasse mietete und auch so ziemlich für ihre Verpflegung sorgte.“ Doch die finanzielle Versorgung dürfte recht knapp ausgefallen sein: „In dieser Notlage vergaß sie sich so weit, der Mutter ihres Geliebten zweimal kleinere Geldbeträge zu entwenden. […] Franz schöpfte aber Verdacht und stellte das Mädchen energisch zur Rede, bis es nach anfänglichem Leugnen den Diebstahl zugab und das Versteck des Geldes zeigte. Franz beschimpfte Klara und gab ihr in seiner Wut ein paar Ohrfeigen. Seine Absicht, das Mädchen zu heiraten, geriet durch die fatale Entdeckung des Diebstahles ins Wanken.“
Nur zwei Wochen später fehlte der Mutter von Franz erneut ein Geldbetrag. Der Verdacht fiel sofort auf Klara. In Klaras Wohnung fand Franz das Geld in einem Versteck hinter dem Kleiderschrank. Wieder endete das Ganze mit ein paar Ohrfeigen für Klara. Außerdem beschloss Franz die Beziehung zu beenden. „Als das heißblütige Mädel dies bemerkte, kaufte es sich einen Revolver und forderte Franz zu einer Unterredung auf. Nach einigem Zögern ging er mit Klara gegen den Inn hinab und bemerkte, als sie an ihrem Täschchen herumnestelte, darin einen Revolver. Er forderte sie auf, ihm die Waffe auszufolgen und sie tat es schließlich auch.“
Franz hatte nun endgültig genug von der Beziehung mit Klara und schickte sie zurück zu ihren Eltern, die sich zu diesem Zeitpunkt in Kapfenberg befanden. Doch bereits nach kurzer Zeit kam die junge Frau zurück nach Innsbruck und zwar mit der Absicht, Franz doch noch zur Fortführung der Beziehung zu überreden. Dieser wollte nichts mehr von Klara wissen und beschloss sie höchstpersönlich bei ihren Eltern in Kapfenberg abzuliefern. Beim Packen ihres Koffers kam abermals ein Revolver zum Vorschein, den Franz wie beim ersten Mal an sich nahm.
Wer denkt, dass sich die junge Frau nun endlich mit der Trennung abfand, irrt sich gewaltig. „Acht Tage später kam die Verblendete wieder zurück und begehrte am 29. Jänner dreimal Einlaß in die Wohnung des Geliebten, aber die Türe blieb ihr verschlossen. Da kaufte sie […] in ihrer Wut und Verzweiflung den dritten Revolver, mit dem sie nun abrechnen wollte.“ Unter einem Vorwand lockte sie Franz aus der Wohnung und feuerte fünf Schüsse auf ihn. „Franz wurde sofort in die Klinik gebracht […] Daß er nicht schwerer verletzt wurde, hatte er dem Umstande zu verdanken, daß er um den Hals an einem Kettchen eine Muttergottesmedaille trug, die, vom ersten Schuß getroffen, die Kraft des Geschoßes brach, so daß es im Brustbein stecken blieb. Der zweite Schuß hatte Franz unterhalb der linken Schulter getroffen, der dritte in der Nähe des Jochbeins, der vierte in der Wange. Der fünfte Schuß war fehlgegangen.“
Franz hatte den Anschlag auf sein Leben zum Glück ohne bleibende Schäden überlebt und da Klara die Tat offenbar zutiefst bereute, kam sie mit einer zweijährigen Gefängnisstrafe doch noch relativ glimpflich davon.
Die um 1930 herum entstandene Flugaufnahme der Innsbrucker Altstadt wurde von Richard Mycinski angefertigt.
(Stadtarchiv Innsbruck, Ph-25070)