skip to Main Content
#bilderschauen --- #geschichtenlesen --- #gernauchwiederimarchiv
Die Waggonbewohner:innen #6

Die Waggonbewohner:innen #6

Das Album von Rudolf Hemerka junior hat unsere visuelle Erinnerung an die Waggonbewohner:innen verändert. Das 1925 entstandene Bild oben, bei dem eine Gruppe von Personen – darunter auch die Eltern Hemerka – vor dem Hemerka’schen Waggon zu einem anderen Fotografen blickt, wird für eine politische oder journalistische Dokumentation entstanden sein; die Hausfrau diesmal im Kasack, viele der Herren im feinen Tuch, Frauen aus drei Generationen bis zum Säugling. Mutter Veronika Hemerka schaut, in die Tür gestützt und mit selbstsicher in die Hüfte gestemmtem Arm herüber in diese Linse (wie wir vermuten, jene von Rudolf Hemerka junior).

Neben solchen starken und inzenierten Bildern sind auf einigen Seiten arg ausgebleichte Fotos einzelner Personen zu finden. Zum Glück hat der Besitzer des Albums, der sehr wahrscheinlich auch der Fotograf der meisten Bilder ist, die Namen der Abgebildeten dazu geschrieben. Vor unspektakulären Hintergründen, wahrscheinlich waren das Funktionsgebäude auf dem Bahnhof, hat er (neben den schon gezeigten Gsallers und Bergers) junge Mitglieder der Familien Zublasing und Stieg eingeklebt; vermutlich seine Freunde, die entweder ein Foto von sich wollten oder für den Amateur als Models zur Verfügung standen.

Edith Stieg (geboren 1911/12) war die Tochter des 1873 in Lassing/Stmk. geborenen Eisenbahn-Assistenten Dominikus Stieg, der mit seiner Frau Katharina geb. Wieser (*1878 in Branzoll/Südtirol) im Waggon auf dem Hauptbahnhof wohnte. Mit ihnen lebten die zwei Töchter Anny und Paula aus Katharinas erster Ehe und die drei gemeinsamen Kinder Edith, Alfred und Otmar. Die auf dem Foto mit Handtäschchen und Kostüm zu sehende Edith starb 1943, gerade 31 Jahre jung, bei der Geburt ihres ersten Kindes in der Ehe mit Hermann Zoller.

Die Eltern der Zublasing-Kinder, der Bahn-Magazinsmeister Johann und seine Anna geb. Schrott, waren beide 1881 in St. Pauls in Südtirol auf die Welt gekommen. Auf dem rechten Foto ist Hansi (*1906 in Bozen), ambitionierter Leichtathlet und später selbst Eisenbahner, zu sehen. Seine Schwester Olga (*1911 in Bozen), auf dem Bild in der Mitte mit Kappe und Wintermantel, ehelichte später den Eisenbahner Johann Hupfauf aus Hötting. Wie bei Lehrer:innen und Ärzt:innen scheint das Berufsbild für Kinder der Waggonbewohnenden ehemaligen Angestellten der k. k. priv. Südbahn auch schon vorgezeichnet gewesen zu sein.

In dieser Serie schon öfter genannt: Die Neujahrs-Glückwünsche der Bahneler, 1928 auch noch getrennt nach West- und Hauptbahnhof (die vormals von verschiedenen Gesellschaften gemanagt worden waren aber wenn man Wikipedia glaubt bis 1924 beide in die ÖBB eingeflossen sind), daher sind hier nicht mehr alle Familien(-vorstände) genannt. Trotzdem ein schönes Mitarbeiter:innenverzeichnis, Dominikus Stieg ist drauf, Adolf Berger… und weitere 400 Männer, gerade nachgeschaut, keine einzige Frau. Die Innsbrucker Sozialdemokratie hatte zu dieser Zeit, als Frauen schon fast 7 Jahre wählen durften, nicht nur bei Neujahrwünschen ein echtes Repräsentationsproblem – die anderen relevanten Innsbrucker Parteien schickten 1925 schon Frauen in den Gemeinderat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top
×Close search
Suche