Der Schuh der Fotografin
Die Sammelgebiete eines Stadtarchivs umfassen alle Bereiche der Verwaltungsgeschichte aber auch viele verschiedene Aspekte der Alltags- und Kulturgeschichte. Manches davon wird für spätere Generationen von Stadtarchivar:innen gar nicht mehr so leicht zu entschlüsseln sein, dann muss man gelegentlich einen alten griesgrämigen Kollegen anrufen und nachfragen, was das denn mit diesem Objekt für eine Bewandtnis haben könnte.
Im kürzlich digitalisierten Bestand Murauer gibt es eine Besonderheit, die sich nur analog sozialisierten Bildgestalter:innen erschließt. Am Beginn jedes 36er Filmstreifens befinden sich ein oder zwei Fotos, die überhaupt nichts mit der einzigartigen intimen 60. Geburtstagsfeier von Bürgermeister Niescher in der Dogana, der monatlichen Blumenübergabe an rüstige Innsbrucker Ehepaare durch Vizebürgermeister Sprenger oder der dem jährlichen Rathaus-Empfang des Honorarkonsuls von Indonesien zu tun haben, sondern meist nur verwackelte Aufnahmen von Schuhen zeigen. Ist das ein Bild-Opfer an Gott Fuji? Wollte die Dokumentaristin ihr Outfit auf Zelluloid bannen? Ist es ein frühe Form der heute natürlich vorkommenden Hosentaschenbilder? Wir älteren Spiegelreflexler wissen die Antwort: Ein neu eingelegter Film hatte am Anfang ein oder zwei Wackelkandidaten, die beim Einlegen Licht abbekommen konnten und daher achtlos geknipst und weitergezogen wurden. Weil die Gewohnheit ein Hund ist oder um diese Bilder gleich von den regulär geknipsten unterscheiden zu können, wurde bei Murauers eben immer aus der Hüfte nach unten geschossen, wo sich in der Regel die eigenen Schuhe befanden und was eben sonst noch ins Visier rutschte. Ob es von bleibendem kulturhistorischem Wert ist, dass wir nun eine tagesaktuelle Ahnung von der Adjustage der Profifotograf:innen der 1980er bekommen können, möge die Fotogeschichte klären.
Entschuldigung – aber Bild 18 wirkt tatsächlich, als hätte da wer „die Patschn aufgstellt“ – also Freitagskrimiathmosphäre (genial
…und funktioniert der Blitz? wurde auch gleichzeitig getestet.
Auf der 36er Spule hatten mehr als 36 (Zähler)Bilder Platz, die Schuhfotos waren verlustfrei.
Wenigstens müssen wir nicht erraten wo die Schuhe gestanden haben. Obwohl, den Teppich sollte man schon erkennen konnen, und der Fleck auf dem Pflasterstein kam in Tirol in dieser Form auch nur einmal vor.