Dem Arbeiter ganz nah
Unser Fotograf Gottfried Newesely hat den Arbeiter an seinem Bürofenster im Jahr 1960 gekonnt in Szene gesetzt. Vermutlich hat Herr Newesely um Erlaubnis gefragt, wobei mir der Herr den Eindruck macht, dass es ihn so oder so nicht wirklich gestört hat. Leider reicht meine Fachkenntnis nicht um Ihnen zu sagen, welche Arbeiten hier unternommen wurden. Möglicherweise Fassadenrenovierung?
Ob der Arbeiter auch an der Leiter gesichert war kann ich nicht erkennen, zumindest scheint er in Eigenverkeilung einen guten Halt zu haben. Die Jacke würde ich als eine Lederjacke identifizieren und wenn ich mich nicht irre trägt der Herr eine Hose und darüber eine zusätzliche Arbeitshose. Die Socken und das Schuhwerk wären heute wieder topmodern.
Was wir noch nicht geklärt haben ist der Arbeitsort unseres Fotografen. Um sein Büro am Haydnplatz dürfte es sich nicht handeln. Vielmehr um seine Büroräumlichkeiten in der Wilhelm-Greil-Straße. Ein Indiz dafür sind die Busse am unteren Bildrand sowie der schwer lesbare Firmenname „…rage M…ardi“ an der Hauswand. Somit sollte es sich unten um die Garage von Heinrich Menardi in der Wilhelm-Greil-Straße handeln, was man anhand von diesem Beitrag bestätigen kann.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Slg. Gottfried Newesely, GoNe-20347)
Schade, die Frage nach dem Standort wäre jetzt aber wirklich ein extragutes Rätsel gewesen…
Da gebe ich Ihnen, Herr Auer, vollkommen Recht. Ich nehme an, dass auch Sie sofort gewusst haben, wo wir uns befinden. Ich hatte schon den entsprechenden alten Beitrag über die Menardi-Garage herausgesucht und dann vor dem Wegschicken Gott sei Dank nochmals den Text gelesen!
Hinterher kann man natürlich alles behaupten, aber ich würde das niedere Gebäude mit dem Shellschild im Vordergrund für eher leicht erkennbar halten. Schwieriger ist da schon die Frage, was der Mann da herumzuklopfen hat. Die Rechte Hand hält was fest – a.) bis es (Schild vielleicht) nicht mehr herunterfallen kann, oder b.) bis es das massive Maurerfäustel losgeklopft hat.
Man beachte das Muster auf den Socken und die elegante Hose, die unter Arbeitshose hervorschaut.
Zur Vita des Fotografen Dr. Gottfried Newesely ist bemerkenswert, dass er im Ersten Weltkrieg als Kaiserjäger sehr schwer verwundet wurde und ihm ein Bein amputiert werden musste. Er arbeitete später als Beamter des Invalidenamtes und promovierte in den Rechtswissenschaften.
Das Outfit des Protagonisten ist tatsächlich bemerkenswert. Vor allem die Schuhe, mit denen er die Leiter erklamm waren auch in den 60ern nicht als Arbeitsschuhe üblich. Das sieht ganz nach einem ungeplanten Einsatz aus. Der gute Mann hat vermutlich seinen Arbeiter nach erfolglosen Bemühungen mit den Worten „muss denn alles der Chef selber machen“ herunterbeordert, Arbeitshose und Fäustel übernommen, und seine Ansage in die Tat umgesetzt.
Ich nehme an, bei der Leiter handelt es sich um ein Fahrzeug der Feuerwehr? Das EWI hatte damals zum Austausch der Birnen in den Straßenlampen zwar auch eine kleine, auf einem Opel Blitz montierte Drehleiter, aber die hätte im Gegensatz zum am Foto erkennbaren Detail der Leiter für diese Höhe (2. Stock) ganz ausgefahren werden müssen.