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Das Mutterschiff Der Bogenmeile

Das Mutterschiff der Bogenmeile

Schülerinnen und Schüler der Innsbrucker Innenstadt-Bildungsanstalten, denen in den 1980ern ihre Wissenslücken mit Nischenexpertise behübscht wurden, konnten mühelos die aktuelle Windrichtung nennen, in dem sie nur die Nase aus dem Fenster hielten. Roch es nach Adambräu, kam der Wind von Süden, roch es nach Bürgerbräu, war es windstill. Ähnliches gibt es heute nur mehr in den Räumlichkeiten des Außendepots des Stadtarchivs in der Feldstraße zu erleben.

Dieses neu in unsere Bestände eingemeindete Bild des Galeristen und Malers Oswald Rampl zeigt das Bürgerbräu im Spätfrühlingskleid vor recht winterlicher Nordkette – angenommener Aufnahmestandort ist der Eisenbahnviadukt. Viele Innsbrucker*innen haben die unterschiedlichsten Erinnerungen an diese große Brauerei, bei der man sich noch in den 1980ern für Familienfeiern Bierbänke ausleihen konnte. Angeblich wohnte der Braumeister auf dem Gelände, aber sonst wurden hier sehr wenige Anrainer gestört, als sich Mitte der 1980er erstmals in den Bögen gegenüber Lokale ansiedelten, denen bekanntlich bald mehrere folgten. Die tatsächliche oder vermeintliche Ruhestörung – Innsbrucks größter Hemmschuh auf dem Weg zu einer kulturell anziehenden Stadt für junge Menschen – konnte, auch weil es diese noch nicht gab, hier noch nicht aufgeregt der mobilen Überwachungsgruppe des Stadtmagistrates fernmündlich mitgeteilt werden.

Gegründet hat diese Brauerei der jüdische Unternehmer Martin Steiner im Jahr 1826, damals unter Aufbietung zahlreicher Strohmänner und Scheinfirmen, da man als Jude vor 1867 nicht einfach ein Geschäft in Innsbruck aufmachen konnte. Auch der Erwerb von Wohnhäusern war eingeschränkt. Der Grund, warum sich heute wieder eine Synagoge in der Sillgasse 15 befindet, ist schlicht der, dass Martin Steiner dort sein erstes Haus erwerben konnte, nur wenige Schritte über den Sillkanal in die Brauerei. Als Literaturempfehlung dazu die ausführliche Darstellung in Thomas Albrichs 3 dicken Bänden zum „jüdischen Leben in Tirol“, hier Band 2, S. 80 ff. Ein Zitat daraus:

Die Gründung der Brauerei

Ein Jahr später, im Herbst 1822, bat Martin Steiner das Gubernium „um Bewilligung zur Errichtung einer Bierbräuerey in Innsbruck“. Der Innsbrucker Stadtmagistrat riet von der Genehmigung ab, „weil Martin Steiner ein Jude ist, und weil es durch die Gesetze verbothen ist, daß die Juden Realitäten, und somit auch Realgewerbe besitzen“. Das Gesuch wurde also fürs erste abgelehnt.

Nun suchte Steiner Unterstützung, die er in der Person des Magistratsrates Johann v. Dietrich fand. Er verpachtete ihm Grundstück und Besitz Obere Sillgasse 271, und Dietrich beantragte im Jahre 1823 eine persönliche Brauereikonzession. Die Vergabe zweier neuer Braukonzessionen – gleichzeitig hatte auch der aus Südtirol eingewanderte Kaufmann Josef Adam um eine angesucht – rief die drei schon mehr als 100 Jahre alten Innsbrucker Brauereien auf den Plan. Die alteingesessenen Bierbrauer richteten einen Rekurs an die k. k. Hofkanzlei in Wien mit dem Erfolg, dass die neue Konzession des Johann v. Dietrich vorerst nicht bestätigt wurde. Vielmehr forderte die Hofkanzlei einen Bericht über das Brauwesen in Innsbruck an. Das Taxamt schätzte in seinem Bericht den jährlichen Ausstoß der Innsbrucker Brauereien auf 25.000 Eimer oder 14.127 Hektoliter. Davon würde aber nur ein Drittel in Innsbruck selbst abgesetzt, während zwei Drittel nach Südtirol und in die Lombardei geliefert wurden. Nicht wenig Bier werde ohne Steuer gebraut und getrunken. In Innsbruck war die Bierversorgung unbefriedigend: In jedem Jahr gehe das Winter- und Märzenbier um Monate zu früh aus, so dass man von Mitte März bis Mitte Mai und Mitte September bis Mitte November geschmackloses neues Bier trinken müsse. Besonders Märzenbier aus Kufstein, Rattenberg, Jenbach, Hall und Seefeld würde in Innsbruck eingeführt. Mit Dekret vom 29. April 1825 erhielt dann Johann v. Dietrich als Strohmann für Martin Steiner die Genehmigung für eine neue Brauerei. Der Grundstein zum späteren „Bürgerlichen Brauhaus“ war damit gelegt. Steiners Bierbrauerei wurde nun auf feste Füße gestellt: Johann v. Dietrich kaufte bis Februar 1827 den an das Grundstück Nr. 271 angrenzenden so genannten „Heilig Geist-“ oder „Spitalsanger“. Auf dem Anger errichtete er die Bierbrauerei und übte nun dieses Gewerbe gemeinsam mit Martin Steiner aus.

Dieser Beitrag hat 12 Kommentare
  1. Ich konnte von meiner Arbeitsstätte jahrelang auf den Innenhof des Bürgerbräu hinabblicken. Dort stand tatsächlich ein nettes Einfamilienhaus mit Sonnenterasse auf der Südseite, und es soll von einem höheren Angestellten, Braumeister wäre schlüssig, bewohnt worden sein.
    Interessant war es immer, wenn die ÖBB mit einem Straßenroller einen ganzen Güterwagon mit Grundstoffen hereinschleppte, dieses Braumeisterhaus umrundete und die Arbeit für zehn Minuten stocken ließ. Verflossene Zeiten.

    Im Gasthof fanden hie und da Bierfestlichkeiten mit Musik statt. War aber nichts für uns damals Jüngere. Umptata und Tätärä. Wenn man selber im Garten feiern wollte, stattete die Brauerei den Kunden wirklich mit allem aus, was dazu gehört. Nicht nur Biertische und Bänke, auch die komplette Schankausstattung war beim natürlich obligaten Fass dabei. Aber auch kistenweise verkaufte man (Pfeil: Rampenverkauf) nicht ungünstig den Gerstensaft. Auch noch zur Zipfer Zeit.

    Schade um das sehr schön gestylte Gasthausgebäude, das Bier gibts anderswo auch.

  2. Bei der Gaststätte war jedenfalls ab den 70ern auf dem Vordach über dem Eingang ein weithin sichtbares großes volles Bierglas montiert, wobei ich als Kind beim Vorbeigehen gerätselt habe, ob da wirklich Bier drinnen ist. Wann diese auffällige Werbeeinrichtung montiert wurde, weiß ich nicht, aber jedenfalls erst nach Entstehung dieses Bildes.

    1. Genau! Das in der Dunkelheit von innen beleuchtete Glas Kaiserbier! Das gab es auch als Blickfang für die Bürgerbräukundschaft unter den Gastwirten. Das Gasthaus Niedermayr Ecke Innrain Mandelsbergerstraße hatte etwa ab Mitte der 60er auch sowas über dem Eingang angeschraubt.
      Es war wirklich eine gute Werbung, wie „in echt“ ein angelaufenes Glas mit klaren Rinnspuren vom überquellenden Schaum. Es war ein gerades Standardglas, kein Krügerl oder ähnliches. Danke für die Erinnerung.
      Eine Spezialität war das dunkle Dreiheiligenbier.

  3. Und so ging’s mit der Brauerei weiter:
    Stainer & Dietrich, Brauerei 1825-1856.
    Martin Stainer, Brauerei 1856-1864
    Brauerei Franz Hamberger & Comp. 1864-1874
    Brauerei Josef Simon Kapferer 1874-1879
    Brauerei Josef Simon Kapferer, inh. Max Kapferer 1879-1895
    Kapferer’sche Brauerei Summerer & Soier 1895-1929
    Bürgerliches Brauhaus Innsbruck A.-G. 1929-1939
    1929 schlossen sich das Bürgerbräu und die heute nicht mehr bestehenden Brauereien Kundl und Reutte der BrauAG an.
    Österreichische Brau A.-G., Bürgerliches Brauhaus Innsbruck 1939-1945
    Österreichische Brau-A.-G., Bürgerliches Brauhaus Innsbruck 1945-2003

  4. Das kuriose an der Causa Bürgerbräu ist folgendes: Kurz vor dem Zusperren der Brauerei wurde noch kräftig investiert. Neue Sudpfannen und neuer Leuterbottich so wie in neueste Brautechnik. Beim Adambräu war es ähnlich. Die dort befindliche Dampfmaschine hätte man als Industriedenkmal erhalten können – meine Interventionen an diverse Stellen interessierte diese nicht. Den kärglichen Rest von der Maschine – Schwungrad – kann man heute an der Wand der Rennerschule bestaunen.
    Stadtarchiv hat von mir einige Bilder von dieser Maschine im Archiv.

  5. Aus dem hohen Noreden kamen die Heuschrecken und aus war es mit Adam- und Bürgerbräu ………..
    Daher trinke auch ich kein Bier von der Brau Union zumal in Tirol hervorragende Biere bebraut werden.

    1. Jahrzehnte lang hat die Brau Union alles geschluckt, was zu haben war, und Brauereien teilweise stillgelegt, bis sie dann selbst 2003 von Heineken, Amsterdam, übernommen wurde!

  6. Mein Schulweg führte mich durch neun Jahre durch die Dreiheiligenstraße in die Angerzellgasse bzw. hinaus in die Anichstraße. Lange brauchte es, bis ich überiss, warum es an bestimmten Tagen nach dem Viaduktbogen so stank!

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